SeniorenGesundheit

„Osteoporose wird oft spät erkannt“

NAS  |  18.05.2024

Bei Osteoporose geht die Dichte und Stabilität der Knochen im Körper stark zurück. Das Tückische an der Erkrankung: Sie verläuft häufig ohne klare Symptome und wird daher erst spät erkannt – meist nach dem ersten Knochenbruch, manchmal auch noch später.

Frau, hat Rückenschmerzen.
Unklare Rückenschmerzen und eine veränderte Körperhaltung können auf Osteoporose hinweisen. Häufig verursacht die Krankheit jedoch auch keine eindeutigen Symptome.
© PeopleImages/iStockphoto

Warum die Erkrankung so spät erkannt wird, welche Warnzeichen es gibt und was man selbst tun kann, um die Knochen stabil zu halten, erklären Prof. Dagmar Führer-Sakel, Direktorin der Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Stoffwechsel der Universitätsmedizin Essen und Dr. Annie Mathew, Fachärztin an der Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Stoffwechsel der Universitätsmedizin Essen im Interview.

Osteoporose wird auch in Deutschland immer noch zu selten diagnostiziert. Woran liegt das?

Prof. Dagmar Führer-Sakel: Zum einen verläuft die Osteoporose in der Regel symptomlos. Die Diagnose erfolgt oft erst, nachdem der Patient bereits eine Fraktur erlitten hat. Häufig werden Patienten auch mit Frakturen nicht adäquat diagnostiziert, da das Bewusstsein für die Osteoporose fehlt und zum Beispiel nur mit postmenopausalen Frauen in Verbindung gebracht wird. Zum anderen fehlen regelmäßige Screeningtests auf die Osteoporose. Dies ist auch durch den Kostendruck im Gesundheitswesen zu begründen, sodass auch in Leitlinien empfohlene diagnostische Tests wie die Knochendichtemessung häufig nicht vergütet werden.

Dr. Annie Mathew: Wir benötigen mehr öffentliche Aufklärung zur Sensibilisierung über die Erkrankung und ihre Risikofaktoren. Eine koordinierte Herangehensweise unter Einbeziehung der Patienten und Gesundheitsdienstleistern ist erforderlich, um die Prävention, Früherkennung und Behandlung von Osteoporose in Deutschland zu verbessern.

Wer ist besonders betroffen?

Mathew: Häufig betroffen sind Menschen ab 50 Jahren und insbesondere Frauen nach der Menopause. Männer und jüngere Patienten können jedoch auch eine Osteoporose entwickeln, wenn sie Risikofaktoren aufweisen. Dazu gehören unter anderem die Einnahme von bestimmten Medikamenten wie zum Beispiel von Cortisonpräparaten, Nikotinkonsum, eine familiäre Vorbelastung, Untergewicht, ein erhöhter Calciumspiegel, ein Diabetes mellitus, eine Schilddrüsenüberfunktion, eine rheumatoide Arthritis und andere chronische Krankheiten. Auch eine niedrige Calciumaufnahme durch die Ernährung oder ein Vitamin D-Mangel können eine Osteoporose begünstigen.

Welche Warnzeichen für die Erkrankung gibt es?

Führer-Sakel: Ein sehr deutlicher Hinweis sind Knochenbrüche, die ohne adäquates Trauma auftreten, also bei geringer Belastung oder nach leichten Stürzen. Klinische Warnzeichen sind auch ungeklärte Rückenschmerzen, eine veränderte Körperhaltung oder eine abnehmende Körpergröße. Eine Knochendichtemessung (DXA) kann eine erniedrigte Knochendichte aufzeigen, welche als frühes Warnzeichen auf eine Osteoporose hinweisen kann. Leider gibt es jedoch keine spezifischeren Warnzeichen, sodass Ärzte und Patienten auf die Risikofaktoren achten und entsprechende Maßnahmen zum Knochenschutz treffen sollten. Darüber hinaus muß immer eine andere Grunderkrankung ausgeschlossen werden.

Wie wird Osteoporose behandelt?

Mathew: Die Behandlung der Osteoporose umfasst eine Basistherapie, welche allen Menschen empfohlen wird und in Fällen mit erhöhtem Frakturrisiko auch eine spezifische Therapie. Zu der Basistherapie gehören eine ausreichende Calciumzufuhr und Vitamin D-Versorgung, eine Minimierung des Sturzrisikos, körperliche Aktivität zur Muskelstärkung und ein gesundes Körpergewicht. In manchen Fällen benötigen Patienten eine spezifische Therapie. Diese umfasst Medikamente wie zum Beispiel Bisphosphonate oder Denosumab, welche beide den Knochenabbau hemmen oder Teriparatid, Romosozumab oder Abaloparatid, welche den Knochenaufbau fördern. Alle Medikamente erfordern eine regelmäßige ärztliche Überwachung.

Was können Patienten selbst tun, um das Fortschreiten der Erkrankung zu bremsen?

Führer-Sakel: Wir empfehlen, auf eine ausgewogene, calciumreiche Ernährung und eine ausreichende Versorgung mit Vitamin D zu achten. Gleichzeitig ist es ratsam, auf Nikotin und übermäßigen Alkoholkonsum zu verzichten, da diese Faktoren das Osteoporoserisiko erhöhen. Regelmäßige Bewegung und gezielte Übungen zur Stärkung der Muskulatur sowie zur Verbesserung der Balance und Koordination sind ebenfalls wichtig. Zur Sturzprävention sollten Patienten Stolperfallen im Wohnbereich beseitigen und rutschfeste Schuhe tragen. Ab einem Alter von 70 Jahren ist eine jährliche Überprüfung des Sturzrisikos sinnvoll.

Mathew: Auch eingenommene Medikamente sollten regelmäßig überprüft werden, insbesondere jene, die das Risiko für Osteoporose oder Stürze erhöhen können. Diese Überprüfung kann sicherstellen, dass das Nutzen-Risiko-Verhältnis dieser Medikamente angemessen bleibt. Durch die Kombination dieser Maßnahmen können Patienten einen erheblichen Beitrag dazu leisten, das Fortschreiten der Osteoporose zu verlangsamen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Die Fragen stellte Natascha Schleif.

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