ArzneimittelPsyche

Placebo: Mehr als Psychologie

Apotheker Rüdiger Freund  |  01.03.2021

Dass eine Tablette ohne Wirkstoff zum Beispiel Schmerzen lindert, liegt am bekannten Placeboeffekt. Die Psyche allein reicht aber noch nicht, um das Phänomen vollständig zu erklären. Forscher sind nun weiteren Auswirkungen der "Scheinmedikamente auf der Spur.

Frau mit blauem Pullover hält ein Glas Wasser und eine Tablette in den Händen.
Warum hilft vielen Menschen ein Medikament ohne Wirkstoff? Diese Frage beschäftigt Forscher schon seit Jahrzehnten.
© Olha-Tsiplyar/iStockphoto

Der Placeboeffekt lässt sich nicht ausschalten. Er macht selbst bei "normalen" Medikamenten einen großen Teil ihrer Wirkung aus. Eine besondere Rolle spielt dabei der verschreibende Arzt, wie eine US-amerikanische Studie der Harvard-Universität zeigte. Migräne-Patienten, die ein Placebo bekamen, das sie für ein wirksames Migränemittel hielten, litten deutlich weniger unter Schmerzen. Der Effekt war genauso hoch wie bei Patienten, die ein richtiges Migräne-Mittel eingenommen hatten, das ihnen vom Arzt jedoch als wirkungstofflos "verkauft" worden war. Die reine Zuversicht der Patienten linderte die Schmerzen hier offenbar genauso stark wie der tatsächliche Wirkstoff.

Gehirn glaubt an Heilung

Mehr noch: Wenn Ärzte den Patienten das echte Migräne-Medikament als hoch wirksam schilderten, verdoppelte dies den schmerzlindernden Effekt. Der Hauptautor dieser Arbeit, Professor Dr. Ted Kaptchuk, erläutert: "In den drei verschiedenen Tests der Studie fanden wir jeweils, dass der Placebo-Effekt für mindestens 50 Prozent der Wirkung verantwortlich war." Bei einem guten Arzneistoff ließe sich also die Wirkung noch erheblich steigern, wenn der Placebo-Effekt genutzt würde, so Kaptchuk.

Und das war noch nicht alles: Zum Erstaunen der Studienautoren ergaben ihre Tests, dass Placebos auch eine eigene Wirkung aufweisen. Selbst wenn die Patienten wussten, dass sie ein Placebo eingenommen hatten, wirkte das noch besser als keine Therapie. Die Forscher vermuten, dass allein das Einnehmen eines Medikaments diese Wirkung hat. "Menschen verbinden mit diesem 'Ritual' bereits einen heilenden Effekt", erklärt Kaptschuk. Selbst wenn sie wüssten, dass es kein Medikament ist, bringe bereits diese Handlung das Gehirn dazu, an eine Heilung zu glauben. "Der Placeboeffekt ist eine Methode des Gehirns, dem Körper mitzuteilen, was es benötigt, um sich besser zu fühlen." 

Auch im Körper passiert etwas

Ärztliche Suggestion oder medizinisches Ritual allein können den Effekt aber nicht endgültig erklären. Neueste Forschungen aus Deutschland zeigen, dass mehr dahinterstecken könnte als die Psyche. Eine Forschergruppe um Professorin Dr. Karin Meißner von der Universität München fand heraus, dass Placebos nicht nur Symptome lindern. Der Körper bildet dadurch auch bestimmte Eiweißstoffe, die die Forscher im Blut nachweisen konnten. Ein erster Hinweis, dass auch körperlich etwas passiert.

Besonders gut funktionieren Placebos bei Schmerzleiden, Schlaflosigkeit oder Magen-Darm-Problemen wie Übelkeit. Kaptchuks Meinung nach nutzen auch viele Selbsthilfemethoden diesen Effekt. "Das Ritual eines gesunden Lebens, also gute Ernährung, Bewegung, Yoga oder Meditation, beinhaltet wahrscheinlich einige Kernpunkte des Placeboeffekts." Die Aufmerksamkeit und emotionale Unterstützung, die man sich dabei selbst gewähre, sei schwer zu messen. Sie helfe jedoch auf längere Sicht dabei, sich gesünder zu fühlen. Zu dieser Art der Selbstfürsorge gehört eindeutig das Lesen von Gesundheitszeitschriften. Von daher tun Sie in diesem Moment genau das Richtige.

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