HIV: Mehr als die Hälfte erlebt Diskriminierung

Natascha Koch | 01.12.2020

Menschen mit HIV können heutzutage gut mit ihrer Erkrankung leben – zumindest aus gesundheitlicher Sicht. Der gesellschaftliche Umgang hinkt jedoch stark hinterher: Viele HIV-positive Menschen machen noch immer Erfahrungen mit Diskriminierung, wie eine aktuelle Online-Umfrage zeigt.
Vielen HIV-positiven Menschen werden in ihrem Alltag diskriminiert, oft aufgrund von Unwissenheit. image.originalResource.properties.copyright

HIV-positive Personen haben heute bei rechtzeitiger Diagnose und Therapie etwa die gleiche Lebenserwartung wie Menschen ohne HIV. Unter Therapie ist das HI-Virus auch nicht mehr übertragbar. Dementsprechend geben in einer Online-Umfrage der Deutschen Aidshilfe und des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft 90 Prozent der Befragten an, dass sie gut mit ihrer Infektion leben. 76 Prozent fühlen sich gesundheitlich nicht oder wenig eingeschränkt. Jedoch berichten 52 Prozent, durch Vorurteile gegenüber HIV in ihrem Leben beeinträchtigt zu sein.

„Menschen mit HIV können heute leben, lieben und arbeiten wie alle anderen. Schwerer als die gesundheitlichen Folgen der HIV-Infektion wiegen für viele die sozialen Folgen. Die gesellschaftliche Entwicklung ist langsamer als die medizinische“, sagt Matthias Kuske, Projektkoordinator bei der Deutschen Aidshilfe.

Viele Betroffene schweigen

Knapp drei Viertel der Befragten offenbaren ihre Infektion deswegen nicht oder nur selten gegenüber anderen Menschen, etwa am Arbeitsplatz. Denn gerade dort, wo die HIV-Infektion bekannt wird, zeigt sich, dass es häufig zu Diskriminierung kommt: Über die Hälfte der Teilnehmenden (56 Prozent) gaben an, im letzten Jahr im Gesundheitswesen mindestens eine diskriminierende Erfahrung gemacht zu haben, zum Beispiel die Verweigerung einer Gesundheitsleistung, die für Dritte offensichtliche Markierung der Patientenakte oder Verstöße gegen die Schweigepflicht.

„Unsere Untersuchung zeigt klar, dass HIV in unserer Gesellschaft weiterhin mit einem Stigma verbunden ist. Wir brauchen daher weiterhin Aufklärung der Bevölkerung zu den positiven Folgen der HIV-Therapie sowie eine mediale Verbreitung vorurteilsfreier Erzählungen vom Leben mit HIV", betont Dr. Janine Dieckmann, wissenschaftliche Projektleiterin beim Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft.

An der Online-Umfrage nahmen 935 HIV-positiven Menschen teil.  Sie ist Teil eines Kooperationsprojekts, welches vom Bundesministerium für Gesundheit gefördert wird und untersucht, welche Erfahrungen Betroffene mit ihrer HIV-Infektion machen. Alle Ergebnisse des Projekts werden im Frühsommer 2021 veröffentlicht.