Mein Kind kann sich nicht konzentrieren

14.03.2011

Sie sitzen keine Minute ruhig, fangen vieles an, bringen nichts zu Ende und ihre Eltern zur Weißglut. Kinderärzte beruhigen: Konzentration lässt sich lernen, auch wenn es manchmal einige Wochen dauern kann.
Im Computerkurs sitzen selbst Grundschüler hochkonzentriert vor dem Rechner. image.originalResource.properties.copyright

Unruhig rutscht Naomi auf ihrem Stuhl hin und her. "Das ist doch kein ›O‹, das Du da schreibst, sondern ein ›U‹. Jetzt konzentriere Dich doch einmal", schimpft ihr Vater. Die sechsjährige Erstklässlerin lässt sich nicht beeindrucken und schaut lieber zum Fenster, wo die Schmetterlinge hängen, die sie am Wochenende mit ihrem Vater gebastelt hat. "Papa, was machen Schmetterlinge eigentlich im Winter?" "Das weiß ich nicht", brummt er. "Außerdem machen wir jetzt Schularbeiten!"

Rechnen, Schreiben oder Lesen – viele Kinder können sich nicht lange darauf konzentrieren. Sie kippeln mit dem Stuhl, wollen an ihr Spielzeug oder müssen plötzlich ganz dringend auf die Toilette. "Unser Kind kann sich nicht konzentrieren", klagen wie Naomis Vater irgendwann alle Eltern einmal.

Eltern sind gefragt

"Es ist richtig, dass bei mangelhafter Konzentration selbst begabte Schüler zu Schulversagern werden können. Die gute Nachricht ist aber: Konzentration ist lernbar", sagt Dr. Josef Kahl, Sprecher der nordrheinischen Kinder- und Jugendärzte. Appelle wie "Nun konzentriere dich endlich" nutzen wenig. Konzentration sei weniger eine Frage des Willens, sondern das Ergebnis einer gelungenen Kombination aus Motivation, Selbstorganisation und Lerntechniken, erklärt der Mediziner.

"Ich glaube, wir machen jetzt eine kurze Pause", sagt Naomis Vater. "Ich hole uns eine Apfelschorle. Dann versuchen wir es noch einmal mit dem ›O‹. Und später schaue ich in einem Buch nach, was die Schmetterlinge im Winter machen."

So lange können sich Kinder durchschnittlich ohne Pause konzentrieren:

  • 6 – 7 Jahre: 10 Minuten
  • 7 – 9 Jahre: 15 Minuten
  • 9 – 10 Jahre: 25 Minuten
  • 10 – 14 Jahre: 30 Minuten
  • 14 – 15 Jahre. 40 Minuten
  • 15 – 19 Jahre: 50 Minuten

Einigen Kindern fällt es schwerer als anderen, sich zu konzentrieren. Aber auch ihnen kann man helfen, macht Kahl Hoffnung. Viele erwarten laut dem Kinderarzt, dass diese Aufgabe die Lehrer und Erzieher in der Schule und bei der Nachmittagsbetreuung leisten. Gefordert sind hier jedoch in erster Linie die Eltern. Betreuen bedeutet für sie anwesend sein, helfen, kontrollieren, einen geeigneten äußeren Rahmen für die Hausaufgaben schaffen. Und dem Kind zu verstehen geben, dass seine Eltern die Arbeit beachten und wertschätzen.

Den Alltag entrümpeln

Kahl empfiehlt Eltern, dafür zu sorgen, dass ihre Kinder eine ruhige, reizarme Lernumgebung haben. Das heißt Ablenkungsquellen entfernen: kein Handy, keine Musik, kein Fernsehen und keine Spielkonsole im Hausaufgabenzimmer. Statt dessen Ruhe, auch vor Geschwisterkindern und Freunden. Feste und regelmäßige Zeiten erleichtern das Lernen. Das bedeutet unter Umständen auch, den Alltag zu entrümpeln. "Viele Kinder haben jeden Nachmittag Programm. Und das ist eindeutig zu viel", warnt Kahl.

"Ist das jetzt ein ›O‹?", fragt Naomi. "Prima, das hast Du richtig gemacht", freut sich ihr Vater. "Übrigens habe ich eben nachgeschaut: Einige Schmetterlinge überwintern an trockenen Orten, etwa auf Dachböden." Naomi lächelt: "Dann können meine Schmetterlinge im Winter an meinem Fenster bleiben. Und jetzt darfst du mir erklären, wie ich das ›U‹ richtig schreibe."