Krebstherapie: Werden unverheiratete Patienten benachteiligt?

12.09.2019

Wenn ein Krebspatient nicht verheiratet ist, erhält er mit geringerer Wahrscheinlichkeit eine lebensrettende Operation oder Strahlentherapie. Das zeigt eine neue Studie, für die 84 medizinische Studien analysiert wurden. Das Ergebnis lässt die Befürchtung aufkommen, dass Ärzte bestimmte Therapien nicht in Erwägung ziehen, bei denen der Patient auf Hilfe und Fürsorge angewiesen ist.
Welche Behandlungsoptionen einem Krebspatienten empfohlen werden, hängt offenbar auch mit dem Familienstand zusammen. image.originalResource.properties.copyright

Joan DelFattore, emeritierte Professorin für Englisch an der Universität von Delaware, verknüpfte ihre persönlichen Erfahrungen als unverheiratete Krebspatientin mit ihren Fähigkeiten als Wissenschaftlerin, um einen Fachartikel in der neuesten Ausgabe des New England Journal of Medicine zu veröffentlichen. In ihrem Artikel mit dem Titel „Tod durch Stereotyp? Krebsbehandlung bei unverheirateten Patienten“ fasst sie Ergebnisse aus 84 medizinischen Studien zusammen und zeigt, dass nicht verheiratete Patienten deutlich seltener operiert werden oder eine Strahlentherapie bekommen.

In der Fachwelt sei man sich dieser Ungleichheit durchaus bewusst, führte sie aber auf Patientenwünsche und einen schwächeren Lebenswillen unter unverheirateten Menschen zurück. DelFattore stellte fest, dass diese Spekulationen von den vorhandenen Daten nicht gestützt werden, sondern sogar mit ihnen in Konflikt stehen. Sie kommt zu der Schlussfolgerung, dass Vorurteile und falsche Annahmen die empfohlenen Behandlungen bei unverheirateten Krebspatienten in unangemessener Weise beeinflussen.

DelFattore, bei der 2011 ein fortgeschrittener Gallenblasenkrebs diagnostiziert wurde, hatte selbst die Erfahrung gemacht, dass ihr von einem Onkologen eine mildere Behandlungsmethode empfohlen wurde, nachdem dieser nach ihrem Familienstand gefragt hatte – obwohl sie auf ein gut funktionierendes Netzwerk aus Freunden, Kollegen, Nachbarn und Familienangehörigen zurückgreifen konnte. Selbst nachdem sie auf die verfügbare Unterstützung hingewiesen hatte, wurde ihr zu einer Therapie geraten, von der DelFattore wusste, dass sie nicht die effektivste war: ,Jemand in ihrer Situation‘ solle keine ernsthaften Nebenwirkungen der aggressiveren Behandlung riskieren. Sie wechselte zu einem Arzt, der Ehe nicht mit sozialer Unterstützung gleichsetzte und hofft nun, dass ihr Artikel Ärzte dazu bewegt, „ihre Annahmen zu überprüfen – in diesem Fall im Hinblick auf potenzielle Entscheidungen über Leben und Tod.“

ZOU