Wer viele Medikamente einnehmen muss, braucht einen Plan

Natascha Koch | 02.03.2021

Wenn Patienten dauerhaft viele verschiedene Medikamente einnehmen müssen, steigt ihr Risiko für unerwünschte Neben- und Wechselwirkungen stark an. Apotheker bemängeln, dass es hier vielfach Versorgungslücken gibt, die für den Patienten gefährlich werden können.
Jeder dritte Senior ab 75 muss regelmäßig mehr als acht verschiedene Medikamente einnehmen. image.originalResource.properties.copyright

Bei älteren Menschen sind bis zu 30 Prozent der Krankenhauseinweisungen auf unerwünschte Arzneimittelwirkungen zurückzuführen. Meist stehen sie in Zusammenhang mit einer Polymedikation, also der dauerhaften Einnahme von fünf oder mehr Arzneimitteln. Polymedikation ist häufig: 7,6 Millionen Bundesbürger ab 65 Jahren nehmen täglich fünf oder mehr Arzneimittel ein. In der Altersgruppe zwischen 75 und 80 Jahren braucht jeder Dritte sogar mehr als acht Medikamente.

Das bringt gewisse Risiken für die Patienten mit sich: „Teilweise bleiben Wechselwirkungen zwischen ihren Medikamenten unentdeckt, auch weil längst nicht alle einen Medikationsplan haben. Und wenn sie einen haben, ist er oft weder vollständig noch korrekt. Vielfach stimmt der Plan nicht mit dem überein, was der Patient aktuell einnimmt. Es ist höchste Zeit, dass das Problem angegangen wird“, sagt Gabriele Regina Overwiening, Präsidentin der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände.

Bei einer Untersuchung in Münster, die 500 Patienten mit Medikationsplan umfasste, entsprachen nur 6,5 Prozent der allein vom Arzt erstellten Medikationspläne der tatsächlichen Einnahmepraxis. Grund dafür sei unter anderem, dass teilweise Arzneimittel aufgeführt werden, die der Patient gar nicht mehr nimmt, oder es fehlen verschreibungsfreie Mediakmente, die der Patient sich unabhängig vom Arzt besorgt.

Die Apotheke, so Overwiening, sei oft die einzige Instanz, die einen vollständigen Überblick über die aktuelle Medikation eines Patienten habe. „Aber die vollständige Medikation des Patienten zu erfassen und auf Risiken zu überprüfen, ist aufwändig und geht weit über das normale Beratungsgespräch mit dem Patienten hinaus“, so Overwiening. Das sei nur machbar, wenn die Apotheker entsprechende pharmazeutische Dienstleistungen mit den Krankenassen aushandeln könnten. Das Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz etwa sehe solche Leistungen ab 2022 für die Versicherten vor.