Corona: Wie Arzneimittel gegen Viren wirken

27.07.2020

Viruserkrankungen wie AIDS, Grippe oder Covid-19 zeigen, wie wichtig es ist, Arzneimittel gegen Viren zu entwickeln.
Arzneistoffe gegen ein Virus neu zu entwickeln ist meist recht langwierig. Daher testet man gegen Corona auch bereits vorhandene Virus-Medikamente. image.originalResource.properties.copyright

Forscher konnten bei der oft langwierigen Entwicklung von Medikamenten gegen gefährliche Viren bereits einige Erfolge verzeichnen. Das ermöglicht mittlerweile eine wirksame Behandlung gegen gefürchtete Krankheitserreger wie etwa das HI-Virus, das AIDS auslöst, und das Hepatitis-C-Virus, das Leberentzündungen sowie Leberkrebs verursacht. Eine Erfolgsgeschichte, die auch für andere Viruserkrankungen wie etwa Covid-19 hoffnungsvoll stimmt.

Wie aber funktionieren solche Anti-Virus-Therapien? Um solche Therapien zu verstehen, muss man zunächst etwas über Viren wissen: Sie bestehen aus wenigen Eiweißen, teils auch Fetten und etwas Erbsubstanz. Weil sie sich nicht selbst vermehren können, benötigen sie einen Wirt, der all das produziert, was sie mangels eines eigenen Stoffwechsels nicht schaffen. Dazu dringen Viren zuerst über bestimmte Andockstellen in ihre Wirtszellen ein. Dann können sie ihren Wirt zwingen, die Virus-Erbsubstanz als "Arbeitsanweisung" abzulesen und alles herzustellen, was nötig ist, damit sich neue Viren bilden. Viren verhalten sich also ähnlich wie Kuckucksküken, die sich in fremden Nestern versorgen lassen. Letztlich werden die zahllosen neu entstandenen Viren aus der Wirtszelle freigesetzt, wobei diese auch absterben kann. Die Viren befallen dann neue Wirtszellen.

Diese Teilschritte lassen sich mit Medikamenten gezielt blockieren, was unter anderem bei der Therapie gegen des HI-Virus (HIV) recht gut gelingt.

Gemeinsam sind HIV-Arzneien stark

Gegen HIV nutzt man Arzneistoffe, die das Anheften und Eindringen des Virus in Immunzellen des Menschen verhindern. Man nennt diese Wirkstoffe fachlich Entry- und Fusionsinhibitoren. Außerdem gibt es Arzneien gegen vom Virus eingesetzte Arbeitswerkzeuge, die dabei helfen, Virus-Erbsubstanz umzuschreiben und im Fall von HIV in die des Wirtes einzufügen. Diese Arzneimittel haben die zungenbrecherischen Namen Reverse-Transkriptase-Hemmer und Integrase-Hemmer. Und schließlich gibt es Substanzen, die dafür sorgen, dass die vom Wirt zwangsweise produzierten Virusproteine nicht richtig zurechtgeschnitten werden können. Das behindert den Zusammenbau neuer Viren in der Wirtszelle. Entsprechende Arzneistoffe fasst man in der Gruppe der Protease-Hemmstoffe zusammen.

Zur Behandlung von Menschen mit einer HIV-Infektion kann der Arzt Substanzen aus diesen Wirkstoffgruppen kombinieren, einzelne alleine reichen hier nicht. Ausheilen kann man die Infektion damit zwar bisher nicht, mittlerweile geht man aber davon aus, dass Patienten durch die intensive Arzneitherapie trotz der HIV-Infektion, trotz möglicher Resistenzen der Viren und auftretender Nebenwirkungen der Arzneimittel im Durchschnitt fast so lange leben können, wie Menschen ohne eine solche Infektion. Das war zu Beginn der AIDS-Epidemie undenkbar. Wichtig ist ein früher Beginn der Therapie.

Erfolgsrezepte nicht immer übertragbar

Trotz der Erfolge bei der Therapie gegen HIV-Infektionen oder auch gegen das Hepatitis-C-Virus muss man beachten, dass Viren recht unterschiedlich sind. Daher lassen sich die Therapien gegen ein Virus nicht unbedingt gegen andere Viren einsetzen. So verhält es sich auch bei HIV und dem Coronavirus SARS CoV-2. Letzteres nutzt zwar teils ähnliche Mechanismen wie HIV, aber es gibt auch viele Unterschiede. Daher erprobt man bisher nur Wirkstoffe aus einer Gruppe bereits verfügbarer HIV-Medikamente auch gegen das Coronavirus. Es handelt sich dabei um Protease-Hemmstoffe. Für stark erkrankte Corona-Patienten, die in Kliniken behandelt werden, sieht die Weltgesundheitsorganisation diese Behandlungsmöglichkeit aber mittlerweile nicht mehr als erfolgsversprechend an.

Unter den bisher nicht auf dem Markt verfügbaren Wirkstoffen gibt es noch ein neu entwickeltes Mittel mit dem Kürzel ABX464. Man prüft es aktuell gegen HIV und gegen das Coronavirus. Es soll bei rechtzeitiger Gabe zugleich gegen diese Viren wirken, Entzündungen hemmen und gewebeheilend wirken. Das ist in Studien aber noch zu belegen.

Sehr aussichtsreich ist ein zuvor bereits auch gegen andere Coronaviren und Ebolaviren getestetes Mittel mit der Bezeichnung Remdesivir. Es blockiert die Vervielfältigung von Viruserbgut. In den Vereinigten Staaten von Amerika und Japan hat Remdesivir bereits Genehmigungen für den Einsatz bei Covid-19 bekommen. Auch die Europäische Arzneimittelbehörde hat dafür grünes Licht
gegeben. Das Mittel scheint die Erkrankungsdauer bei Covid-19 zu verkürzen, wenn man es zum richtigen Zeitpunkt einsetzt. Nicht gegen das Coronavirus selbst, aber gegen eine durch die Virusinfektion mitunter ausgelöste überzogene, gefährliche Immunantwort wirken eine ganze Reihe von Substanzen, die man derzeit ebenfalls prüft. Ein Beispiel ist der schon länger bekannte, kortisonähnliche Arzneistoff Dexamethason.

Ob die aktuell getesteten oder bereits eingesetzten Arzneimittel gegen das Coronavirus und Covid-19 die in sie gesetzten Erwartungen letztlich erfüllen, müssen die laufenden Untersuchungen zeigen. Ebenso, wann im Krankheitsverlauf man die Mittel idealerweise einsetzt.

Dr. Frank Schäfer