So wichtig ist Vitamin D wirklich

Apothekerin Christina Brunner | 15.11.2020

Vitamin D stellt die Wissenschaftler vor Rätsel. Seine Auswirkung auf die Knochengesundheit ist gut untersucht und verstanden. Es gibt aber auch Hinweise auf Zusammenhänge zwischen einem Vitamin-D-Mangel und Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder bestimmten Krebserkrankungen. Dr. Dieter Steinhilber, Professor für pharmazeutische Chemie an der Universität Frankfurt am Main, stellt dieses Vitamin und seine Besonderheiten vor.
Vitamin D kann der Körper nur mit Hilfe von Sonnenlicht herstellen. image.originalResource.properties.copyright

Vitamin D-Zufuhr

Schätzwerte für eine angemessene Vitamin-D-Zufuhr bei fehlender Eigensynthese, etwa im Winter.

Alter|Internationale Einheiten (IE) pro Tag

Säuglinge (0 bis unter 12 Monaten)|400

Kinder (1 bis unter 15 Jahre)|800

Jugendliche und Erwachsene ab 15 Jahre|800

Schwangere und Stillende|800

Wie wirkt sich ein Vitamin-D-Mangel aus?

Steinhilber: Die Knochen werden weich. Die Krankheit heißt Rachitis oder Osteomalazie. Bei älteren Menschen kann bei Calcium- und Vitamin-D-Mangel eine Osteoporose auftreten, die Knochen werden dann instabil und brüchig.

Diabetiker erkranken häufiger an Osteoporose. Gibt es einen Zusammenhang?

Steinhilber: Zucker- und Knochenstoffwechsel sind eng miteinander verknüpft. Welche Prozesse dabei genau ablaufen, ist noch nicht im Detail verstanden. Das Risiko für Knochenbrüche ist bei Diabetikern zusätzlich erhöht, denn Unterzuckerungen und Spätfolgen des Diabetes, wie ein diabetischer Fuß oder Sehstörungen, machen den Gang unsicher und erhöhen das Sturzrisiko.

Vitamin D soll die Abwehrkräfte positiv beeinflussen. Stimmt das?

Steinhilber: Ja, Vitamin D stärkt das angeborene Immunsystem und hilft, Bakterien und Viren abzuwehren. Patienten mit einem Vitamin-D-Mangel sind infektanfälliger. Sie profitieren von einer Vitamin-D-Zufuhr. Das gilt auch für Diabetiker, die bei einer schlechten Stoffwechseleinstellung häufiger an Infekten leiden. Außerdem hemmt Calcitriol die Bildung bestimmter Antikörper. Sie spielen eine Rolle bei Autoimmunerkrankungen wie Typ-1-Diabetes.

Lässt sich daraus ein Therapieansatz ableiten?

Steinhilber: Theoretisch ja. Wenn das eigene Immunsystem die Insulin-produzierenden Zellen schon angreift und deren Zerstörung schon fortgeschritten ist, hilft auch eine Vitamin-D-Gabe nicht mehr. Weiß man von dem Vitamin-D-Mangel und beugt vor, lässt sich aber eventuell der Diabetes verhindern.

Könnte eine gute Vitamin-D-Versorgung auch vor Typ-2-Diabetes schützen?

Steinhilber: Ein Vitamin-D-Mangel wird häufig mit Krankheiten wie Typ-2-Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder sogar Krebs in Verbindung gebracht, was allerdings keinen Beweis für einen möglichen ursächlichen Zusammenhang darstellt. Experimentelle Arbeiten konnten durchaus Effekte nachweisen. Allerdings wurden zum Teil sehr hohe Calcitriol-Konzentrationen eingesetzt, die im Körper normalerweise nie erreicht werden. Die klinischen Studien mit Vitamin D bei diesen Erkrankungen waren dagegen eher ernüchternd.


Vielen Dank für das Gespräch!

Die Fragen stellte Apothekerin Christina Brunner.