Freie Radikale harmloser als gedacht

09.12.2011

Sogenannter oxidativer Stress durch freie Radikale scheint die Lebensspanne nicht zu beeinflussen. Das ist die überraschende Erkenntnis, die Forscher des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg gewonnen haben. Denn bisher galt der oxidative Stress als Wurzel vieler krankhafter und lebensverkürzender Prozesse.
Zigarettenrauch verursacht oxidativen Stress im Körper. Dass dieser Stress die Lebensspanne verkürze, zweifeln Heidelberger Forscher an. image.originalResource.properties.copyright

Von oxidativem Stress sprechen Wissenschaftler, wenn durch Stoffwechselvorgänge in Zellen und Geweben vermehrt sogenannte reaktive Sauerstoffverbindungen anfallen. Dazu gehören auch die freien Radikale, die mit der Entstehung verschiedenster Erkrankungen in Verbindung gebracht werden wie Arterienverkalkung, Parkinson, Alzheimer und Krebs. Auch Alterungsprozesse des Körpers sollen durch oxidativen Stress gefördert werden. Soweit die Theorie. Ein Beweis aus der Praxis fehlte bislang. Noch konnte niemand Veränderungen durch oxidativen Stress oder gar deren Zusammenhang mit krankhaften Prozessen im lebenden Organismus beobachten, so die Forscher aus Heidelberg. Ihnen ist das nun gelungen.

Für ihre Untersuchungen veränderten die Wissenschaftler das Erbgut von Fruchtfliegen so, dass oxidativer Stress im Organismus der Tiere Lichtsignale erzeugt, die gemessen werden konnten. Dabei fiel auf, dass die einzelnen Zellen und Gewebe unterschiedlich viele der angeblich schädlichen Verbindungen produzieren: So fallen etwa in den Blutzellen deutlich mehr reaktive Sauerstoffverbindungen an als in den Zellen der Muskulatur oder des Darms.

Bisher waren die Wissenschaftler der Überzeugung, dass mit steigendem Alter auch der oxidative Stress steige und so die Alterungsprozesse zusätzlich befeuert würden. Eine solche alternsabhängige Zunahme der reaktiven Sauerstoffverbindungen fanden die Wissenschaftler nur im Darm der Fliege. Überdies hatten Fliegen, die länger lebten, sogar mehr dieser Stoffe im Darm angereichert als die, die früher verstorben waren. Folglich gibt es nach Aussage der Forscher aus ihren Untersuchungen keine Hinweise darauf, dass die Lebensspanne eines Organismus durch die Bildung reaktiver Sauerstoffspezies begrenzt wird.

"Natürlich lassen sich die Ergebnisse nicht ohne weiteres von der Fliege auf den Menschen übertragen", sagt Privatdozent Dr. Tobias Dick aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum. Das nächste Ziel seiner Forschungsgruppe sei es, oxidative Prozesse in Säugetieren zu beobachten, vor allem bei Entzündungsreaktionen und bei der Entwicklung von Tumoren.

KK