Epilepsie im Kindesalter
Was ist das? - Definition
Epilepsie ist eine chronische neurologische Erkrankung, für die wiederholte Krampfanfälle typisch sind. Sie tritt in höherem Alter oder bei Kindern und Jugendlichen vergleichsweise häufiger auf als in anderen Altersgruppen. Erfahren Sie hier mehr über Epilepsie, wie sie sich bei Kindern äussern kann und was ihnen hilft.
Krankheitsbild
Bei Epilepsie kommt es meist kurzzeitig zur Übererregung von Nervenzellen des Gehirns ("Gewitter im Gehirn"). Als Folge können anfallsartig Krämpfe und Muskelzuckungen, plötzliche Spannungsverluste von Muskeln, kurze geistige Abwesenheiten (Absencen), Bewegungsautomatismen, Bewusstseinseintrübungen, Bewusstlosigkeit, Wahrnehmungsstörungen und Stürze auftreten. Manche Patienten spüren zuvor Warnzeichen (Aura), etwa ein Kribbeln oder eine unerklärliche Geruchswahrnehmung.
Anfälle können von einzelnen Hirnregionen (fokaler Anfall) oder Nervenzellen im ganzen Gehirn (generalisierter Anfall) ausgehen und unterscheiden sich im Beschwerdebild. Es gibt nicht die "eine" Epilepsie. Ein Anfall dauert meist nur Sekunden oder wenige Minuten, es treten mitunter aber mehrere hintereinander auf.
In Deutschland ist ungefähr eine von hundert Personen von Epilepsie betroffen. Die Erkrankung kann in jedem Alter auftreten, vergleichsweise häufiger aber in der Kindheit oder im höheren Lebensalter. Ein einzelner Anfall ist nicht mit einer Epilepsie-Erkrankung gleichzusetzen. Erst wenn wiederholt Anfälle auftreten oder eine Disposition vorliegt, spricht man von Epilepsie.
Auf Epilepsie hindeutende Symptome sollten stets ärztlich abgeklärt werden. Dauert ein Anfall oder eine rasche Abfolge von Anfällen mit Bewusstseinsverlusten, Krämpfen und Muskelzuckungen am ganzen Körper (generalisiert) mehr als 5 Minuten oder einzelne Körperbereiche und -funktionen betreffend (fokal) mehr als 10 Minuten an, benötigen Betroffene dringend ärztliche Hilfe.
Epilepsie ist in vielen Fällen gut behandelbar. Wichtig ist, Anfälle früh zu erkennen und vorhandene Risikofaktoren zu vermeiden.
Symptome/Verlauf
Bei Kindern tauchen spezielle Epilepsie-Syndrome bevorzugt in bestimmten Altersabschnitten auf. Einige Beispiele:
Neugeborene:
Muskelzuckungen, ungewöhnliche Augenbewegungen oder stereotype Bewegungen von Armen und Beinen sowie Atemnot, Herzrasen oder Hautverfärbungen können einige der möglichen Zeichen epileptischer Anfälle bei Neugeborenen sein. Sie kommen bei 1 bis 3 von 1.000 Lebendgeborenen vor.
Säuglinge:
Bei der seltenen, meist zwischen dem 2. und 8. Lebensmonat erstmals auftretenden BNS-Epilepsie (West-Syndrom) kommt es zu blitzartigen, heftigen Muskelzuckungen besonders der Arme und des Kopfes (Kopfnicken) und zu charakteristischen Beuge- und Streckkrämpfen. Anfälle treten oft in Serie und nach dem Aufwachen auf. Hier besonders wichtig: eine frühe Diagnose und Therapie.
Kleinkinder:
Krampfanfälle bei hohem Fieber (Fieberkrämpfe) erleiden 2 bis 5 Prozent aller Kinder. Um eine Epilepsie-Erkrankung handelt es sich hier nicht. Die Neigung zu Fieberkrämpfen verliert sich spätestens im Schulalter. Durch die Fieberkrämpfe selbst besteht keine Beeinträchtigung bei der Entwicklung des Kindes.
Viel seltener, aber schwerwiegender ist das Lennox-Gastaut-Syndrom, dass zwischen dem 3. und 5. Lebensjahr erstmals auftritt. Es kommt zu unterschiedlichen Formen von Anfällen mit Absencen, Verkrampfungen besonders nachts, Muskelzuckungen und -erschlaffungen und in der Folge plötzlichen Stürzen.
Kinder im Schulalter:
Bei etwa 10 bis 17 Prozent der im Schulalter festgestellten Epilepsie-Fälle handelt es sich um Absence-Epilepsie. Bei einem Anfall wirken Kinder, als ob sie für Sekunden "weggetreten" sind, sie unterbrechen ihre Tätigkeiten. Mitunter kommt es auch zu Muskelzuckungen oder Blinzeln. Die Anfälle können sehr oft hintereinander auftreten.
Die Rolando-Epilepsie ist zwar insgesamt selten, macht aber unter kindlichen Epilepsien etwa 13 bis 23 Prozent der Fälle aus. Sie tritt zwischen dem 3. und 12. Lebensjahr auf und verschwindet in der Pubertät wieder. Sie zeigt sich vor allem nachts durch Kribbeln und Krämpfe im Gesicht sowie übermässigen Speichelfluss, Sprachstörungen oder Schluckbeschwerden bei erhaltenem Bewusstsein.
Jugendliche:
Im jugendlichen Alter kann unter anderem die Juvenile myoklonische Epilepsie auftreten. Typisch sind plötzliche, oft morgens auftretende Muskelzuckungen des Schultergürtels und der Arme, möglich sind auch generalisierte Anfälle sowie Absencen.
Folgen/Komplikationen
Häufige und schwere Anfälle können womöglich die geistige Entwicklung verzögern und bedeuten im Lebensalltag eine Belastung für die Kinder sowie die Eltern. Auch Lern- oder Sprachstörungen sind möglich. Manche Epilepsie-Formen verschwinden spätestens nach der Pubertät wieder, andere Formen bleiben bestehen, besonders bei Schädigung des Gehirns. Mögliche Langzeitfolgen und die Therapie hängen sehr von der Form der Epilepsie-Erkrankung und ihren Ursachen ab.
Ursachen/Risikofaktoren
Das kindliche Gehirn ist noch nicht vollständig ausgereift und dadurch anfälliger für Störungen. Bei Neugeborenen oder Frühgeborenen kann schon eine geringe Belastung Anfälle auslösen. Einige mögliche Auslöser einer Epilepsie-Erkrankung:
-angeborene Hirnschäden,
-Infektionen des Gehirns oder der Hirnhäute,
-Stoffwechselstörungen,
-Herzrhythmusstörungen.
Wichtig ist, diese Ursachen ärztlich abzuklären und zu behandeln.
Das kann helfen
Was Eltern unter anderem tun können:
-Sich vom Arzt gut über Notfallmassnahmen informieren lassen.
-Kind während eines Anfalls nicht festhalten und nichts in den Mund stecken.
-Für Sicherheit sorgen, damit keine Verletzungen entstehen.
-Sollten Anfälle länger als 5 Minuten dauern oder sich rasch wiederholen, Notfallmassnahmen ergreifen und den Notarzt rufen.
-Nach einem Anfall Ruhe ermöglichen und das Kind beruhigen.
-Besonders auch nach erstmaligem Auftreten eines Anfalles umgehend ärztlichen Rat einholen.
-Dafür sorgen, das verordnete Medikamente gemäss ärztlicher Anweisung eingenommen werden.
-Das Umfeld des Kindes wie etwa im Kindergarten oder der Schule über die vorliegende Epilepsie-Erkrankung gut informieren.
-Sich auch Unterstützung über Selbsthilfeangebote suchen.
Was Ärzte tun:
Bei Verdacht auf Epilepsie ist eine gute ärztliche Diagnose wichtig. Ärztinnen und Ärzte erheben dafür die Kranken-Geschichte (Anamnese), lassen sich die Symptome schildern und messen Hirnströme mittels eines EEG (Elektoencephalogramm). Dabei können für Epilepsie typische Veränderungen sichtbar werden. Je nach Bedarf erfolgen weitere Untersuchungen etwa des Blutes oder mittels MRT.
Ärztinnen und Ärzte setzen oft Medikamente ein, um Anfälle zu verhindern oder zu lindern. Zudem beraten sie Eltern zum Umgang mit den Symptomen und Folgen einer Epilepsieerkrankung. Eltern erhalten manchmal auch Notfallmedikamente, falls ein Anfall ungewöhnlich lange dauert.
Bearbeitungsstand: 10.10.2025
Quellenangaben:
Gruber, Christoph; Gruber Sarah, Pädiatrie, Elsevier (Urban & Fischer), (2010), 2. Auflage - www.epilepsie-vereinigung.de, www.epilepsie-vereinigung.de, 2024
Die Information liefert nur eine kurze Beschreibung des Krankheitsbildes, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Sie sollte keinesfalls eine Grundlage sein, um selbst ein Krankheitsbild zu erkennen oder zu behandeln. Sollten bei Ihnen die beschriebenen Beschwerden auftreten, wenden Sie sich an Ihren Arzt oder Apotheker.