Gesundheit

ADHS betrifft auch Erwachsene

Maria Pues  |  15.07.2023

Die Aufmerksamkeits-/Hyperaktivitätsstörung, kurz ADHS, ist längst den Kinderschuhen entwachsen. Aber egal ob man damit aufgewachsen ist oder die Diagnose erst als Erwachsener erhielt: Die Therapie steht immer auf mehreren Säulen.

Junge Frau, sitzt verzweifelt vor dem Laptop.
Viele ADHS-Betroffene haben auch im Erwachsenenalter noch Probleme mit der Konzentration.
© Lordn/iStockphoto

Nur eine Marotte, ein Fall von Charakterschwäche oder doch eine Erkrankung? Wer ständig zu spät kommt, dauernd Dinge verlegt oder vergisst und nur schwer bei der Sache bleiben kann, findet beim Gegenüber oft wenig Verständnis. Man müsse sich einfach ein bisschen mehr Mühe geben, andere schafften das ja schließlich auch, heißt es nicht selten. Vorwürfe, Selbstvorwürfe und Selbstzweifel stellen oft treue Begleiter im Alltag dar, wenn Dinge mal wieder nicht so laufen, wie man selbst oder andere es sich wünschen. Eine mögliche Ursache dafür ist eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung. Lange betrachtete man sie als "Kinderkrankheit", die sich mit den Jahren auswächst. Heute weiß man, dass das ein Irrtum ist. Rund 50 bis 80 Prozent der im Kindesalter Betroffenen leiden auch als Erwachsene noch unter Symptomen, rund ein Drittel zeigt noch das Vollbild der Störung. Bei einigen verändern sich die Beschwerden auch. So geht die Hyperaktivität mit den Jahren häufig zurück, oft bleibt aber eine anhaltende innere Unruhe bestehen. In manchen Fällen erfahren Menschen mit ADHS sogar erst im Erwachsenenalter, dass sie an einer Krankheit leiden. Das kann ein Schock sein, viele Betroffene berichten aber auch von großer Erleichterung: endlich wissen, was los ist, frühere Fehlschläge verstehen und mögliche Ansatzpunkte für eine Therapie oder Hilfen im Alltag finden.

Was genau hinter dem Beschwerdebild einer ADHS steckt, ist noch nicht bis ins letzte Detail bekannt. Man weiß jedoch, dass ein Ungleichgewicht der Botenstoffe eine wichtige Rolle spielt. An erster Stelle steht Dopamin, das bei ADHS in zu geringen Konzentrationen vorhanden ist oder zu schnell abgebaut wird. Hier setzen Arzneistoffe an. Sie erhöhen die Verfügbarkeit dieses Botenstoffs. Auch Serotonin und Noradrenalin spielen eine Rolle. Eine erbliche Veranlagung gilt als gesichert: So erhöht eine ADHS bei einem oder beiden Elternteilen die Wahrscheinlichkeit, dass auch ihre Kinder betroffen sein können. Daneben diskutieren Experten über den Einfluss von Umweltfaktoren. Und auch das kommt vor: Dass Erwachsene auf ihre eigene ADHS aufmerksam werden, nachdem ihr Kind die Diagnose erhalten hat.

Darum spielt es eine wichtige Rolle, einem Verdacht nachzugehen: Eine unerkannte und unbehandelte ADHS im Erwachsenenalter kann das Risiko für weitere Erkrankungen erhöhen. Dazu gehören Ängste und Depressionen, aber auch Suchterkrankungen. Diese umfassen nicht nur sogenannte stoffliche, sondern auch nicht-stoffliche Süchte wie Kauf- oder Spielsucht. Impulse nur schwer kontrollieren zu können, spielt dabei eine wichtige Rolle, oft auch die Suche nach dem "Kick". So findet man unter ADHS-Betroffenen häufiger eine Vorliebe für riskante Sportarten. Daneben gilt es auch, andere Erkrankungen als Verursacher der Symptome auszuschließen.

Außerordentlich individuell

ADHS umfasst ein breites Spektrum unterschiedlicher Ausprägungen. Das spiegelt sich auch in den Therapieoptionen wider und in den Entscheidungen, diese in Anspruch zu nehmen. So haben manche Erwachsene mit geringen oder mäßigen Beeinträchtigungen im Alltag für sich bereits Strategien gefunden, um mit den Besonderheiten, die für sie durch die ADHS entstehen, zurechtzukommen. Dazu zählen etwa Strukturen, die Abläufe im täglichen Leben vereinfachen und übersichtlicher gestalten, sodass weniger verloren oder vergessen geht, beispielsweise To-Do-Listen oder eine Tagesplanung. Einige haben Berufe oder Betätigungsfelder gefunden, in denen ihr körperlicher und geistiger Bewegungsdrang besonders gefragt sind. Ist die Krankheit stark ausgeprägt oder nicht in den Griff zu bekommen, kann die Unterstützung eines Verhaltenstherapeuten helfen, Probleme besser zu verstehen, Lösungen zu finden und so das mitunter chaotische Leben zu bändigen. Dies erfolgt zumeist im Rahmen einer ambulanten Therapie mit regelmäßigen Terminen. In diesen werden individuelle Ziele definiert und kleine Schritte festgelegt, um diese zu erreichen.

Eine weitere Säule in der ADHS-Therapie besteht aus Medikamenten. Auch für Erwachsene gibt es heute – anders als noch vor gut zehn Jahren – zugelassene Arzneimittel zur Behandlung der ADHS. Je nach Ausprägung der Erkrankung, möglichen Begleitumständen – etwa eine bereits bestehende Suchterkrankung – und Vorerkrankungen stehen inzwischen verschiedene Wirkstoffe zur Verfügung. Einige von ihnen unterliegen dem Betäubungsmittelgesetz. Das und der Umstand, dass sie Hyperaktivität und innere Unruhe bessern, führen mitunter zu dem Missverständnis, es handele sich um Beruhigungsmittel. Das Gegenteil ist der Fall. Methylphenidat, der am häufigsten eingesetzte Arzneistoff, gehört zur Gruppe der Stimulanzien. Bei Personen ohne ADHS wirkt er anregend, bei ADHS-Betroffenen reguliert er das Ungleichgewicht der Botenstoffe im Gehirn, steigert die Aufmerksamkeit und wirkt gleichzeitig beruhigend. Die passende Dosis und den idealen Einnahmezeitpunkt ermitteln Ärzte für jeden Patienten individuell. Von manchen Wirkstoffen gibt es sowohl schnell freisetzende Arzneiformen, die rasch wirken, als auch solche mit verzögerter Freisetzung, deren Wirkung langsamer einsetzt und länger anhält. So lässt sich die Therapie weiter anpassen.

ADHS-Symptome

Auch wenn die Diagnose erstmalig im Erwachsenenalter erfolgt: Eine ADHS beginnt in Kindertagen. Drei Kernsymptome stehen im Zentrum: Unaufmerksamkeit, Impulsivität und/oder motorische Unruhe (Hyperaktivität). Für eine Diagnose müssen die Symptome mindestens sechs Monate anhalten, in verschiedenen Lebensbereichen auftreten und das soziale Leben und die Leistungsfähigkeit beeinträchtigen. So lautet die Definition der Leitlinie ADHS bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Leitlinien fassen den Stand des medizinischen Wissens zusammen und geben Empfehlungen für Diagnostik und Therapie auf dem Stand der aktuellen medizinischen Forschung.

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