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Ausgeknirscht

Peter Erik Felzer  |  15.01.2024

Meist merkt es zuerst der Bettnachbar, wenn man nachts mit den Zähnen knirscht. Doch die Beschwerden bleiben oft nicht auf den Mund beschränkt, erklärt Zahnarzt Dr. Hans-Joachim Roos im Interview mit dem APOTHEKEN MAGAZIN.

Mund mit Aufbissschiene für die Zähne
Eine Aufbissschiene kann helfen, das Zähneknirschen einzudämmen.
© AndreyPopov/iStockphoto

Wie bemerkt man, dass man mit den Zähnen knirscht?

Roos: Oft fällt es der Bettnachbarin oder dem Bettnachbarn auf, dass man mit den Zähnen knirscht. Denn meistens geschieht es nachts im Schlaf und völlig unbewusst. 

Kann Zähneknirschen auch tagsüber auftreten?

Roos: Bei der nächtlichen Form knirschen und pressen die Betroffenen ihre Zähne und den Kiefer unbewusst während des Schlafens aufeinander. Dies dauert oft bis zu 20 Minuten.  Psychische Belastungen und Spannungen werden so abreagiert. Zähneknirschen kann aber auch tagsüber stattfinden. Betroffene stehen unter so enormer Anspannung, dass sie sogar hellwach – jedoch auch meist unbewusst – Zähne und Kiefer aufeinanderpressen.

Sie sprechen Stress als Ursache an.

Roos: In unserer heutigen Leistungsgesellschaft stehen viele Menschen unter Dauerstress und dauernder Anspannung. Sprachbilder wie "sich in eine Sache verbeißen", "sich festbeißen" oder "die Zähne zusammenbeißen" bei psychischen oder körperlichen Verletzungen zeigen, welche Rolle die Zähne in unserer Gefühlswelt spielen. Stress spielt als Auslöser von Zähneknirschen die Hauptrolle. Entspannte Menschen tun dies nicht, weder nachts noch tagsüber.

Reicht Stress allein aus?

Roos: Stress allein reicht meist nicht aus. Hinzu kommt häufig ein Fehlbiss. Die Zähne von Ober- und Unterkiefer finden keinen gleichmäßigen und gleichzeitigen Kontakt, sondern es kommt an manchen Stellen zu Frühkontakten, also zum vorzeitigen Aufeinandertreffen der Zähne. Das liegt häufig an zu hohen Kronen, Füllungen oder Brücken, nicht versorgten Zahnlücken, schlecht sitzenden Prothesen, mangelhaften Zahnimplantaten oder kieferorthopädischen Fehlregulierungen.

Wie viele Menschen knirschen in Deutschland?

Roos: Schätzungen gehen davon aus, dass etwa jeder Dritte mit den Zähnen knirscht. Frauen tun dies deutlich mehr als Männer. Und es tritt über alle Generationen auf. 

Welche Folgen kann Zähneknirschen nach sich ziehen?

Roos: Das ständige Pressen und Knirschen überlastet den Zahnhalteapparat. In der Folge kann sich das Zahnfleisch zurückziehen und entzünden. Dies zieht oft eine Parodontitis nach sich, was im Extremfall zum Zahnverlust führt. Zudem schleifen sich die Zähne ab, und im Zahnschmelz kommt es zu Rissen. 

Bleiben die Folgen auf den Mund beschränkt?

Roos: Leider nicht. Die Muskulatur im Kopf versucht den Fehlbiss auszugleichen und verspannt sich. Dies fördert das Zähneknirschen nicht nur zusätzlich, sondern es treten auch oft Symptome wie Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Schulterbeschwerden oder Ohrenschmerzen auf. Deswegen sollte man bei diesen Beschwerden auch an Zähneknirschen
als mögliche Ursache denken.

Wie sieht eine Behandlung aus?

Roos: Ein wichtiger Baustein: Stress abbauen und die Muskeln entspannen. Hierfür gibt es verschiedene Techniken wie autogenes Training oder Meditation. Auch eine Physiotherapie kann zusätzlich in vielen Fällen die Beschwerden momentan lindern. Gegen das Knirschen und Pressen setzt der Zahnarzt Entspannungs- und Aufbissbehelfe ein, um eine muskuläre Harmonie zu erzeugen. Sie verhindern weitere Schäden im Mund und entlasten die Kaumuskulatur und Kiefergelenke bereits innerhalb von kurzer Zeit. Langfristig kommen Patienten zumeist nicht um eine Korrektur des Fehlbisses herum. Hierzu zählen auch der Austausch von falsch sitzendem Zahnersatz wie Kronen oder Prothesen und eventuell sogar der Einsatz von kieferorthopädischen Korrekturen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Die Fragen stellte Peter Erik Felzer.

 

Dr. Hans-Joachim Roosist wissenschaftlicher Beirat Zahnmedizin/Funktionsdiagnostik bei der Gesellschaft für Zahngesundheit, Funktion und Ästhetik.

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