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Schilddrüse - das Auf und Ab bei der Hormontherapie

Dr. Frank Schäfer  |  01.11.2012

Sie sitzt unter dem Kehlkopf und arbeitet unbemerkt – die Schilddrüse. Ist sie jedoch zu wenig oder zu sehr aktiv, spürt man das am ganzen Körper. Unendlich müde und erschöpft fühlen sich Betroffene bei einer Unterfunktion, aufgedreht, überhitzt und zittrig bei einer Überfunktion der Drüse. Die Einnahme von Schilddrüsenhormonen kann häufig helfen. Doch bei der Suche nach der richtigen Dosis steckt der Teufel im Detail. Lesen Sie, wie eine Betroffene das Auf und Ab der Hormonbehandlung erlebt hat und was Experten raten.

Junges Paar in sommerlicher Stadt.
Funktionsstörungen der Schilddrüse sind kein Altersleiden. Sie treffen auch jüngere Patienten.
© Ridofranz/iStockfoto

Es gibt mehrere Auslöser für Probleme mit der Schilddrüsenhormon-Produktion. Es kann an überaktivem Drüsengewebe, einer Vergrößerung mit Knotenbildung oder Entzündungen der Schilddrüse liegen. Solche organischen Veränderungen bleiben anfangs oft unbemerkt. Vieles nämlich kann die Schilddrüse ausgleichen, sie hat Hormonreserven, zudem gibt es ganz normale, gewohnte Schwankungen der Schilddrüsenhormone im Tagesverlauf. Erst wenn es zu anhaltenden, deutlichen Veränderungen der Hormonspiegel kommt, treten Beschwerden auf.

Was Ärzte bei Verdacht auf Schilddrüsenleiden tun

Wie Fachärzte die Diagnose einer Schilddrüsenerkrankung stellen und die Behandlung planen, erklärt der Hormonexperte und Ärztliche Leiter des Endokrinologikums in Frankfurt am Main, Dr. med. Alexander Mann: "Typischerweise erfolgt die Diagnose bei Verdacht auf ein Schilddrüsenleiden durch eine Kombination aus körperlicher Untersuchung, Befragung und Ultraschalluntersuchung, um zu beurteilen, wie es dem Patienten geht."

Dazu kommen verschiedene Blutuntersuchungen: "An erster Stelle steht der TSH-Wert im Blut. Für ihn legt der Arzt nach der Diagnose des Schilddrüsenleidens einen Zielbereich fest, der durch die Behandlung erreicht werden soll. Dieser Bereich kann von Patient zu Patient, von Erkrankung zu Erkrankung und je nach der Lebenssituation unterschiedlich sein."

TSH – das Thyreoidea-stimulierende Hormon – ist deshalb so wichtig, weil dieser Botenstoff aus der Hirnanhangsdrüse wie eine "Stellschraube" für die Schilddrüse wirkt und sie steuert. Ist der TSH-Spiegel im Blut zu hoch, weist dies auf einen Mangel an Schilddrüsenhormonen hin. Um diesen Mangel auszugleichen, regt das vermehrt gebildete TSH das Wachstum der Schilddrüse an. Auf Dauer kann so aber eine Vergrößerung der Schilddrüse entstehen, im Volksmund Kropf genannt. Ist der TSH-Blutspiegel jedoch im Idealbereich, entfällt der Wachstumsanreiz und die Drüse wird entlastet. Das TSH kann der Arzt durch eine Behandlung richtig einstellen, so dass sich eine überlastungsbedingte Vergrößerung des Drüsenorgans oder Knoten in ihrem Gewebe zurückbilden.

Hormonbehandlungen der Schilddrüse brauchen Zeit

Um einen zu hohen TSH-Wert gut einzustellen, ergänzt man Schilddrüsenhormon in Form von Tabletten. Dies unterdrückt die überbordende TSH-Produktion im Gehirn. Hat sich der Zustand der Schilddrüse gebessert, kann man möglicherweise die Zufuhr von Schilddrüsenhormon wieder beenden.

Doch bis dahin ist Geduld vonnöten, betont Dr. Mann: "Wir reden hier über eine Behandlung, die häufig Monate, typischerweise mehrere Jahre dauert." Und nicht immer führt die Behandlung zum Erfolg, wie das Beispiel der Ärztin Dr. Ulrike Jacobs aus Frankfurt zeigt (siehe Kasten links). Dann muss möglicherweise operiert werden, um die Schilddrüse teilweise oder ganz zu entfernen. Das ist nötig, wenn Beschwerden durch ein Schilddrüsenleiden zu stark werden oder Krebsverdacht besteht. Ohne die Drüse oder nur mit einem kleinen Rest davon muss man lebenslang Schilddrüsenhormone einnehmen, da diese nun nicht oder nicht mehr ausreichend im Körper selbst hergestellt werden.

Den persönlichen "Wohlfühl-TSH" finden

Allein mit der festen Einstellung des TSH-Blutspiegels auf einen rechnerischen Idealwert ist es bei der Hormonbehandlung nicht getan, weiß Dr. Mann: "Der TSH-Idealwert wird nur unter der Voraussetzung angestrebt, dass sich der Patient damit wohlfühlt. Nicht alle Patienten haben aber den gleichen 'Wohlfühl-TSH', wie ich es nenne." Hier ist Fingerspitzengefühl nötig, denn bis die richtige Dosis an Schilddrüsenhormon zur Einstellung des TSH-Wertes gefunden ist, dauert es im Durchschnitt einige Monate.

In dieser Zeit sind Kontrollen notwendig, die aber nicht in zu engen Abständen erfolgen sollten. Dr. Mann: "Liegt etwa eine Unterfunktion vor und beginnt man eine Behandlung, wird der Arzt normal erst nach sechs Wochen den TSH-Wert überprüfen. Der Grund ist, dass es Zeit braucht, bis sich durch die Medikamente im Körper ein Gleichgewicht einstellt. Das Schilddrüsenhormon T4 hat im Körper eine Halbwertszeit von etwa fünf bis acht Tagen. Wir sprechen also über ein System, das eher träge reagiert." Daher braucht man auch Geduld bei notwendigen Anpassungen der Dosis. "Bei einer schweren Schilddrüsenunterfunktion zum Beispiel merken die Patienten bei einer Anpassung ihrer Hormondosis zwar nach wenigen Tagen bis einer Woche, dass es ihnen besser geht. Trotzdem ist die Unterfunktion dann noch nicht komplett ausgeglichen." Liegt der TSH-Wert bei der Kontrolle schließlich im gewünschten Bereich und geht es dem Patienten gut, verlängern sich die Kontrollabstände.

Die Schilddrüse ist wie ein Chamäleon

Kompliziert wird die Einstellung auch durch die unterschiedliche Empfindlichkeit der Patienten für Schwankungen der Schilddrüsenhormone: "Ich habe Patienten mit schwersten Unterfunktionen, die vor mir sitzen und sagen 'Mir geht es gut'. Und wir haben Patienten mit ganz leichten Abweichungen, die massive Beschwerden beklagen. Ein bisschen ist die Schilddrüse wie ein Chamäleon. Daher muss man individuell reagieren."

In einigen Fällen dient neben oder statt Schilddrüsenhormon auch Jod beziehungsweise Jodid zur Behandlung von Schilddrüsenerkrankungen. Dr. Mann stellt dazu aber klar: "Wurde die Schilddrüse entfernt, muss der Patient Schilddrüsenhormone einnehmen. Eine Jodbehandlung hilft dann nichts, denn es ist ja keine Schilddrüse mehr da, die Jod für die Hormonproduktion verwenden kann. In der Situation einer Schilddrüsenentzündung mit einer Unterfunktion würde Jod in der Regel überhaupt nicht helfen, möglicherweise sogar schaden, indem es eine Verschlechterung oder sogar eine Überfunktion auslöst." Schaden würde die Einnahme von Jodtabletten auch bei einer bereits vorliegenden Überfunktion der Schilddrüse etwa infolge der Basedow-Krankheit oder wenn Teile der Schilddrüse autonom, also ungesteuert Hormone produzieren.

Ist ausgeprägter Jodmangel Ursache eines Schilddrüsenleidens, empfiehlt Dr. Mann zu Anfang eine kombinierte Schilddrüsenhormon- und Jodgabe, um dem Patienten eine schnellere Erholung zu ermöglichen. "Wenn sich die Schilddrüsenveränderung normalisiert hat, und der Jodmangel ist die Ursache, kann man das Schilddrüsenhormon wieder absetzen und im nächsten Schritt allein mit Jod weiterbehandeln.

Auch wenn die Schilddrüse nur teilweise entfernt wurde, kann Jod helfen. "Ein häufiger Fall ist, dass eine Schilddrüsenseite entfernt wurde und die andere noch da ist. In so einer Situation kann es sein, dass der Patient einfach nur mehr Jod braucht." Das muss im Einzelfall der behandelnde Arzt klären. Zur Selbsthilfe darf man dabei nicht greifen, was für die Behandlung von Schilddrüsenkrankheiten grundsätzlich gilt. Diese gehört stets in die Hände erfahrener Ärzte.

 

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