Angst vor Nebenwirkungen? Beratung in der Apotheke hilft

Pharmazeutische Zeitung  |  16.07.2025 13:03 Uhr

Viele Menschen nehmen Medikamente nicht so ein, wie sie eigentlich sollten – oft aus Sorge vor Nebenwirkungen. Ein Seminar an der Universität Jena zeigt an einem Fallbeispiel, wie wichtig eine gute Beratung ist.

Eine ältere Dame sitzt vor einem Haufen Tabletten in Blistern, ihre Brille daneben. Sie hat die Hände verschränkt.
Angst davor, die Tabletten einzunehmen? Beratung in der Apotheke vor Ort kann helfen, die Sorge auszuräumen oder Alternativen zu finden.
© Yuriy Kryvoshapka/iStockphoto

Was ist zu tun, wenn ein Patient seine verordneten die Medikamente nicht nimmt? Studierende der Universität Jena hatten die Gelegenheit, sich auf solche Fälle vorzubereiten: Beim Seminar "Einführung in die Medikationsanalyse" hatte Apothekeninhaber Stefan Göbel anonymisierte Patientenfälle aus seiner Apotheke mitgebracht, zum Beispiel: Die Patientin C.P.. Ihr Medikationsplan war sehr umfangreich und die Pharmaziestudierenden identifizierten rasch einige größere Probleme.

Medikamente gegen Rheuma nicht eingenommen

Da Frau C.P. an Rheuma leidet, bekam sie Methotrexat (MTX), Prednison und Ibuprofen verordnet. Das MTX nahm sie jedoch aus Angst vor Nebenwirkungen nicht ein – wie sich erst beim Gespräch in der Apotheke herausstellte. Dafür ließ sie sich gegen ihre rheumabedingten Schmerzen regelmäßig von zwei Arztpraxen Ibuprofen 600 mg verschreiben. Das verordnete Pantoprazol als Magenschutz nahm sie wiederum nicht ein. Zusätzlich kann sich Prednison negativ auf die Magenschleimhaut auswirken.

Abhängigkeit vermutet

Aufgrund einer Angststörung nahm die Patientin außerdem Venlafaxin in der für diese Indikation empfohlenen Höchstdosis von 225 mg ein. Der Wirkstoff kann das Risiko für Blutungen, auch im Magen-Darm-Trakt, erhöhen. Zusätzlich bekam sie gegen Panikattacken das Medikament Lorazepam 2,5 mg. Letzteres ließ sich die Patientin regelmäßig von zwei Arztpraxen verordnen. Hier vermuteten die Apotheker in spe eine Abhängigkeit.

Außerdem fiel auf: Trotz der Diagnose chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) benutzte die Patientin ihr Salbutamol-Spray nicht. Ein weiteres Medikament fehlte ganz.

Ängste nehmen und Alternativen aufzeigen

Die Studierenden machten Verbesserungsvorschläge, um die Therapie sicherer und wirksamer zu gestalten. Wichtig sei, der Patientin die Angst vor Methotrexat zu nehmen, waren sich die Studierenden einig. Sollte es nicht vertragen werden, könne man auf das Medikament Leflunomid oder moderne Biologika ausweichen, erklärte Hausärztin Dr. Annegret Fröbel. Sie begleitete das Seminar und betonte: „Man sieht deutlich: Patienten tun durchaus Dinge, die sie nicht dem Hausarzt kommunizieren – besonders, wenn es sehr ängstliche Patienten sind. Die Apotheke kann hier Stellschlüssel sein.“

Unterstützung beim Absetzen von Lorazepam

Die Studierenden plädierten zudem dafür, Lorazepam abzusetzen oder zumindest die Dosis stark zu reduzieren. “Im Moment sehe ich bei dieser Patientin wenig Optionen, das Lorazepam auszuschleichen”, erwiderte Fröbel. Es sei aber wichtig, das Gespräch zu suchen, Hilfsangebote zu machen und aufzuzeigen, dass eine Entwöhnung möglich wäre. "Manchmal können Rheumapatienten wegen ihrer Schmerzen nicht schlafen, vielleicht braucht sie das Lorazepam auch deshalb”, ergänzte die Ärztin. Auch die Venlafaxin-Dosis sei recht hoch und könne eventuell gesenkt werden.

Magenschutz und Ibuprofen

In Bezug auf den Magenschutz waren sich Ärztin und Studierende einig, dass die Patientin diesen auf jeden Fall einnehmen sollte. Statt Ibuprofen könnte die Patientin auch ein anderes Schmerzmittel wie Naproxen bekommen. Das gibt es auch als Kombi-Präparat, das den Magen gleichzeitig schützt. Eine weitere Möglichkeit wäre Metamizol. Allerdings muss sie dabei gut aufgeklärt werden, denn zusammen mit Methotrexat kann Metamizol eine seltene, aber sehr gefährliche Nebenwirkung verursachen. Über die Anzeichen dieser Nebenwirkung müsste die Patientin dann informiert werden. 

Außerdem rieten die Studierenden, den Status der Lungenerkrankung der Patientin zu überprüfen und eine passende Therapie anzusetzen.

Kleiner Teilerfolg nach dem Seminar

Einen kleinen Teilerfolg brachte die studentische Analyse bereits: Apotheker Stefan Göbel hatte am Tag nach dem Seminar, wie er der Pharmazeutischen Zeitung mitteilte, nochmals mit der Patientin gesprochen und ihr erklärt, warum das MTX so wichtig für sie sei. Sie versprach daraufhin, es noch am selbigen Abend mit der Einnahme zu probieren.

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