Schmälert eine späte erste Beziehung das Selbstbewusstsein?

Natascha Koch | 09.09.2022

Jeder zweite Teenager hat bis zum 16. Geburtstag eine erste romantische Beziehung begonnen. Die andere Hälfte lässt sich damit länger Zeit - ohne dass dies Auswirkungen auf das Selbstwertgefühl hat. Das zeigt eine aktuelle Befragung von Psychologen der Universität Jena.
Die erste Liebe hat einen großen Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung. image.originalResource.properties.copyright

Rund 22 Prozent der Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Deutschland bleiben bis zum Alter von 20 Single. Einen Einfluss auf das Selbstbewusstsein hat dies offenbar nicht, dies wie eine neue Studie zeigt. "Single zu sein, stellt im Jugendalter kein Risiko für einen geringeren Selbstwert dar", berichtet Tita Gonzalez Avilés von der Universität Jena, die die Studie im Rahmen ihrer Dissertation durchgeführt hat. „Die erste Beziehung ist ein sehr normatives Ereignis – sie markiert einen Schritt in der Persönlichkeitsentwicklung. Aus wissenschaftlichen Studien wissen wir, dass Personen, die ihre erste romantische Beziehung eingehen, beispielsweise eine Zunahme in emotionaler Stabilität und im Selbstwertgefühl erleben", so die Psychologin. Was aber eine späte erste romantische Beziehung mit dem Selbstwert macht, war bislang unklar.

Für die Untersuchung wurden Daten von rund 1.400 Personen ausgewertet. Die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer hatten bis zum 16. Lebensjahr noch keine Beziehung geführt und wurden im Rahmen der Langzeitstudie „pairfam“ zehn Jahre lang regelmäßig nach ihrem Selbstwert gefragt. Im Schnitt begannen sie eine erste Beziehung mit 18 Jahren, 108 von ihnen waren zum Befragungsende immer noch Single. Bei Letzteren sank das Selbstwertgefühl gegen Ende der Zeitspanne durchaus. „Doch wir konnten in unserer Studie zeigen, dass nicht etwa das Vorhandensein einer Beziehung ausschlaggebend für einen positiven Selbstwert ist, sondern vielmehr die eigene Zufriedenheit mit dem jeweiligen Beziehungsstatus – egal ob man sich in einer Partnerschaft befindet oder ein glückliches Singleleben führt“, sagt Gonzalez Avilés.

Für die Psychologin geht von diesem Forschungsergebnis eine positive Botschaft aus: „Ich finde es wichtig, dass sich die jungen Leute in Beziehungsdingen nicht unter Druck gesetzt fühlen. Es ist absolut in Ordnung, länger Single zu sein und sich Zeit zu nehmen.“ Gleichzeitig betont sie, wie wichtig es sei, die Alleinstehenden stärker in den Fokus der Wissenschaft zu nehmen. Singles seien in der Beziehungsforschung lange kaum betrachtet worden, aber nahezu jede Person habe inzwischen Phasen ohne partnerschaftliche Beziehungen. Deshalb solle auch dieser Status genauer erforscht werden. Gonzalez Avilés untersucht derzeit, ob Singles heute eine größere Lebenszufriedenheit aufweisen als früher und vergleicht dazu die Erfahrungen drei verschiedener Altersgruppen.

Quelle: DOI 10.1177/08902070221124723