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Thema der Woche: Rückenschmerzen behandeln und vorbeugen

06.08.2015

Rückenschmerzen sind hierzulande fast so häufig wie Kopfschmerzen. Akute Rückenschmerzen kann man gut behandeln, hat sich der Schmerz aber erst einmal eingenistet, wird es schwieriger. Hier erfahren Sie, welche Therapien Erfolg versprechen und wie man anhaltenden Rückenschmerzen vorbeugt.

Thema der Woche bei aponet: Rückenschmerzen behandeln und vorbeugen.
Fast jeder leidet im Laufe seines Lebens einmal unter Rückenschmerzen. Meistens deuten die Schmerzen auf keine ernsthafte Erkrankung hin und lassen sich gut behandeln.
© Robert Kneschke - Fotolia

Meistens sind akute Rückenschmerzen harmlos. „Eigentlich kann man sie wie einen Schnupfen angehen“, sagt die Allgemeinmedizinerin Professor Dr. Annette Becker von der Philipps-Universität Marburg. „Da muss man nicht jedes Mal zum Arzt.“ Oft vergehen akute, unkomplizierte Rückenschmerzen sogar von selbst. Und ist das nicht der Fall, gibt es gute Behandlungsmöglichkeiten.

Bei leichten Beschwerden können Salben und Gele mit ätherischen Ölen helfen, die Muskeln zu entspannen. Auch Wärme, ob als Bad, Wärmflasche, Wärmepflaster oder -salbe aus der Apotheke, tut einem schmerzenden Rücken gut. Daneben kommen Schmerzmittel infrage. Sie stecken in Salben und Gelen, die man lokal auf die betroffene Partie des Rückens aufträgt, oder in Tabletten, die man schluckt.

Wann zum Arzt?

Es gibt allerdings auch Rückenschmerzen, deren Ursache gefährlich ist. Zu einem Besuch beim Arzt rät Becker, wenn man ...

  • einen Unfall hatte, zum Beispiel gestürzt ist, und der Schmerz erst danach anfängt (dann könnte ein Bruch dahinterstecken),
  • vor einiger Zeit eine Spritze im Bereich des Rückens erhalten hat und danach Fieber auftritt, das nicht durch einen grippalen Infekt erklärbar wäre, und womöglich mit nächtlichen Schmerzen einhergeht (dann könnte eine Infektion dahinterstecken),
  • Gefühlsstörungen, Kraftverlust oder eine Lähmung in einem oder beiden Beinen verspürt.

Beruhigend ist es laut Becker hingegen, wenn die Schmerzen bewegungsabhängig sind, wenn der Schmerz also bei Bewegung zunimmt und bei Ruhe zurückgeht. Dies deutet auf harmlose Rückenschmerzen hin, die zum Beispiel durch Muskelverspannungen verursacht sind. Bei Rückenschmerzen in Bewegungslosigkeit zu erstarren, ist trotzdem der falsche Weg. Denn ein Vermeidungsverhalten kann die Schmerzen sogar noch intensivieren. Der richtige Weg: sich möglichst schnell wieder bewegen, zu Beginn allerdings vorsichtig.

Problemfall chronischer Schmerz

Deutlich schlechter sind die Aussichten auf einen Behandlungserfolg, wenn der Schmerz erst einmal chronisch geworden ist. Von solchen chronischen Schmerzen sprechen Ärzte, wenn der Schmerz länger als zwölf Wochen anhält. Bei etwa zehn Prozent der Rückenschmerz-Geplagten geht der Schmerz in einen solchen Dauerzustand über. Doch wie wird Schmerz überhaupt chronisch? Schmerz nimmt der Körper über Rezeptoren wahr. Werden diese Rezeptoren über längere Zeit gereizt, werden sie empfindlicher. Dies wird auch als Schmerzgedächtnis bezeichnet. Der Körper erinnert sich quasi an den Schmerz. Hinzu kommt, dass Dauerschmerz die Art und Weise, wie das Gehirn die Schmerzreize verarbeitet, verändert.

Dann kann der Schmerz auch bei Beseitigung des Schmerzreizes bestehen bleiben. Dann ist aus Rückenschmerzen eine eigenständige Schmerzkrankheit geworden. Die Ursachen für den chronischen Rückenschmerz bleiben zudem in den meisten Fällen im Verborgenen. Eine speziell auf eine Ursache zugeschnittene Therapie ist so nicht möglich. Laut Becker „kann man den chronischen Schmerzpatienten in den meisten Fällen derzeit leider nicht heilen, ihm wohl aber helfen, trotz Schmerzen ein gutes Leben zu führen“.

Therapieziel nicht zu hoch ansetzen

Ziel der Behandlung von Betroffenen ist es daher, die Lebensqualität zu verbessern. Diese sollte sich vor allem an individuellen und realistischen Zielen der Patienten ausrichten. Becker, die neben ihrer Tätigkeit an der Marburger Universität auch in einer Praxis arbeitet, berichtet von einer Patientin, die immer gern gemalt habe, wegen der Rückenschmerzen aber nicht mehr lange stehen konnte. Deren persönliches Therapieziel sei gewesen, dieses Hobby wieder pflegen zu können. Und dies sei gelungen, obwohl die Patientin nicht jeden Tag schmerzfrei war. „Sie wusste, dass die Schmerzen kommen und gehen und sie trotzdem an guten Tagen ihr Leben auch genießen Kann“, erinnert sich Becker. Für chronische Schmerzpatienten hat sie eine positive Botschaft: „Man kann lernen, mit chronischem Schmerz zu leben.“

Die Ärztin warnt davor, die Therapieziele zu hoch zu hängen. Die daraus resultierenden hohen Erwartungen würden zwangsläufig enttäuscht. Ziel der Behandlung sei, dass der Patient seinen Alltag so gut wie möglich weiter gestalten kann. Dazu gehören sowohl die Arbeit als auch Freizeitaktivitäten und Sport.

Chronischen Schmerz richtig behandeln

Medikamente sind eine wichtige Säule der Therapie, zugleich dürfen sie aber nicht die einzige Behandlung darstellen. Idealerweise erhalten Patienten eine sogenannte „multimodale Schmerztherapie“. Dabei kommen neben Arzneimitteln auch nicht medikamentöse Elemente zum Einsatz. Dazu zählen Bewegungstherapie, progressive Muskelentspannung, Ergotherapie und Verhaltenstherapie. Die Mobilisation des Körpers, Akupunktur und Massagen können diese Therapien ergänzen. Aufgrund der unterschiedlichen Ansätze bei der multimodalen Schmerztherapie arbeiten in der Regel mehrere Berufsgruppen zusammen: Mediziner, Physio- und Psychotherapeuten. Die multimodale Schmerztherapie lindert die Schmerzen von chronischen Schmerzpatienten nachweislich.

Allerdings auch nur kurzfristig. Sie kann helfen, wenn es gerade besonders heftig ist. Dann kann man in einer solchen Behandlung wieder Mut finden, viel über den Schmerz und sich selbst lernen und durch physikalische Therapien, Bewegung und teils Medikamente die Schmerzen wieder in den Griff bekommen. Ziel ist es dabei, nach der Therapie wieder den Alltag leben zu können und selbst Wege zu finden, mit den Schmerzen zurechtzukommen.

Wann operieren?

Viele Patienten stellen sich die Frage, wann eine Operation nötig ist. Es gibt Fälle, in denen ein Eingriff unumgänglich ist. Becker nennt hier schwere neurologische Ausfälle, beispielsweise einen massiven Bandscheibenvorfall, der auf das Rückenmark drückt. „Das ist ein Notfall, das muss sofort entlastet werden!“ Ansonsten sei es schwierig, die Erfolgsaussichten einer Operation vorherzusagen, da auch die Psyche und das Verhalten Einfluss auf den Rückenschmerz hätten. Solange aber im Röntgenbild oder MRT-Untersuchungen von Rückenschmerz-Patienten keine Veränderungen sichtbar seien, verbiete sich eine Operation.

Auch neue, viel umworbene Operationsmethoden seien sehr kritisch zu sehen, so Becker. Prinzipiell sollten Patienten das Für und Wider einer Operation am besten zusammen mit ihrem Arzt sorgfältig abwägen und gegebenenfalls die Meinung eines zweiten Mediziners einholen.

Chronischen Schmerzen vorbeugen

Um zu verhindern, dass Schmerz chronisch wird, hilft es vor allem, ein bewegtes Leben zu führen, weiß Becker: "Viel Bewegung ist nachweislich die beste Versicherung, dass der Schmerz nicht immer wiederkehrt."

Denn stundenlanges Sitzen – zum Beispiel im Büro – tut der Wirbelsäule nicht gut. Zwischendurch einmal aufstehen und einige Schritte zu gehen fördert nicht nur die Konzentration, sondern ist auch gut für den Rücken. Gelegenheiten dazu gibt es reichlich, auch im Büro: Wer zum Beispiel ein schnurloses Telefon hat, kann beim Telefonieren ein wenig umherlaufen und die Muskeln lockern. Weitere Tipps um den Arbeitsalltag beweglicher zu gestalten, gibt die Aktion Gesunder Rücken (AGR):

  • Verzichten Sie auf den Fahrstuhl und nehmen Sie die Treppe.
  • Der Drucker und Kopierer steht nicht direkt neben Ihrem Schreibtisch? Umso besser, denn auch dadurch bieten sich Gelegenheiten, hin und wieder ein paar Schritte zu gehen.
  • Versuchen Sie allgemein, in Ihre Arbeitsroutine neue Wege zu integrieren und Möglichkeiten zum Aufstehen und Bewegen zu finden. Sprechen Sie mit Kollegen persönlich anstatt nur über E-Mails zu kommunizieren und holen Sie Ihre Ausdrucke selbst vom Drucker anstatt sie sich mitbringen zu lassen. All diese Aktivitäten sind gut für Ihr persönliches Bewegungskonto.
  • Wechseln zwischen Sitzen und Stehen. Zum Beispiel mit einem Stehpult oder einem Schreibtisch, der sich mit wenigen Handgriffen so verstellen lässt, dass er in beiden Positionen genutzt werden kann.

Apotheker Fabian Henkel/AGR

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