Multiple Sklerose: Welche Therapien bringt die Forschung?

Lina Müller  |  22.12.2025 10:38 Uhr

Die Multiple Sklerose, bekannt als Krankheit der 1000 Gesichter, ist eine Erkrankung des Gehirns und Rückenmarks und kann je nach Patient sehr unterschiedlich verlaufen. Ein Experte erklärt, welche neuen Behandlungsoptionen die nächsten Jahre bringen könnten.

Eine Frau sitzt bei einer Ärztin, die eine Anamnese durchführt. Im Hintergrund sind Gehirnscans sichtbar.
Frauen sind häufiger von der Multiplen Sklerose betroffen als Männer. (Symbolbild)
© Ivan-balvan/iStockphoto

„MS ist eine chronische, autoimmun-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems, bei der das Immunsystem fälschlicherweise die Myelinscheiden der Nervenfasern angreift“, erklärt Privatdozent Dr. Dr. Yavor Yalachkov vom Uniklinikum Frankfurt am Main. Myelinscheiden ummanteln einzelne Nervenzellen. Sie dienen damit sowohl dem Schutz der Zelle als auch der schnelleren Übertragung von Signalen. Je nachdem, welcher Bereich des Gehirns oder des Rückenmarks betroffen ist, variieren die Symptome stark – von Sehstörungen bis hin zu Lähmungen.

Ein gelähmter Arm könnte ein Schub sein

Bei einem MS-Schub treten neurologische Symptome neu auf oder nehmen an Stärke deutlich zu. Beispiele könnten die Lähmung und die Taubheit eines Arms oder die Sehstörung an einem Auge sein. Das halte mindestens 24 Stunden an und sei nicht durch Infekte oder Fieber erklärbar, so Yalachkov. 

Ein MS-Schub wird in der Regel mit einer drei- bis fünftägigen hochdosierten Kortison-Infusion behandelt. Sollte diese Therapie nicht ausreichen, kann man spezielle Blutwäsche-Verfahren durchführen. 

Viele Medikamente im Einsatz 

Zur Vermeidung von Schüben setzt man sogenannte krankheitsmodifizierende Therapien ein. „Heutzutage stehen rund 20 zugelassene Medikamente zur Verfügung“, erklärt Yalachkov, der zur Krankheit forscht. Ein Schub kann trotz Behandlung den Verlauf der Erkrankung beschleunigen. Doch die Erkrankung kann auch schubunabhängig fortschreiten

Immuntherapien vielversprechend

Medikamente, die beide Prozesse beeinflussen, werden derzeit intensiv erforscht. „Besonders vielversprechend sind neue Immuntherapien wie Brutontyrosinkinase-Inhibitoren“, so Yalachkov. Tabletten mit diesen Wirkstoffen hemmen Entzündungsreaktionen und Abbauprozesse dort im zentralen Nervensystem, wohin die anderen Medikamente nicht gelangen könnten. Diese Funktionen spielen bei dem langsamen Fortschreiten der MS eine Rolle. 

„Darüber hinaus werden Stammzelltransplantationen erforscht sowie innovative Ansätze, wie die CAR-T-Zell Therapie, die das Immunsystem sehr gezielt ‚neu programmieren‘ soll.“ Bei einer CAR-T-Zell-Therapie werden körpereigene Immunzellen entnommen, gentechnisch verändert und anschließend wieder verabreicht. 

Er selbst forscht zu Biomarkern, also messbaren Substanzen im Blut, die Krankheitsprozesse widerspiegeln. „Bei der MS können Biomarker helfen, Krankheitsaktivität, Prognose oder Therapieansprechen besser einzuschätzen.“ 

Regeneration des Nervensystems

Auch im Bereich der Neuroplastizität forscht Yalachkov. Neuroplastizität beschreibt die Fähigkeit des Nervensystems und besonders des Gehirns sich neu zu organisieren und anzupassen. Wäre es denkbar die Nervenschäden bei MS wieder zu reparieren, zum Beispiel die Myelinschicht? Tatsächlich berichtet Yalachkov von ersten klinischen Studien aus dem Bereich Neuroplastizität z.B. aus England zu diesem Thema. „Diese Studien haben zwar noch keine bahnbrechenden Ergebnisse geliefert, aber sie geben erste Hinweise, dass der Wiederaufbau der Myelinschicht ein realistisches Therapieziel sein kann.“

Nahrungsergänzungsmittel nur bei nachgewiesenen Mangelzuständen

Der Mediziner erklärt, dass das Nervensystem teilweise auch selbst dazu fähig ist, die Myelinscheiden wieder aufzubauen. Je fortgeschrittener der Verlauf der MS sei, desto stärker nehme diese Reparaturfähigkeit jedoch ab. 

Im Internet wird vielfach für Nahrungsergänzungen geworben, die diesen Prozess ankurbeln sollen. „Für diese Nahrungsergänzungsmittel gibt es keine belastbare wissenschaftliche Evidenz, dass sie gezielt den Myelinaufbau fördern“, stellt Yalachkov klar. Besonders betont er, dass es nur sinnvoll sei, echte, laborchemisch nachgewiesene Mangelzustände auszugleichen. Eine Einnahme ohne Vitaminmangel sieht er kritisch.

Mediterraner Ernährungsstil und körperliche Aktivität

Andere Maßnahmen in Bezug auf Ernährung und Lebensstil hält er bei MS durchaus für hilfreich: „Generell empfehle ich den sogenannten mediterranen Ernährungsstil“, sagt Yalachkov. Das bedeutet: viel Obst, Gemüse, Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte, Nüsse, Olivenöl, Fisch und Geflügel anstelle von rotem Fleisch, Zucker oder stark verarbeiteten Lebensmitteln.

Zusätzlich bewegen sich Menschen mit MS am besten regelmäßig – angepasst an ihre persönliche Belastbarkeit. Der Arzt rät zu einer Kombination aus Ausdauer- und Kraftsport. Diese habe den besten Effekt auf die psychische und körperliche Gesundheit. 

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