Multiple Sklerose (MS): Ursachen, Diagnose, Behandlung

Rüdiger Freund  |  03.12.2025 07:16 Uhr

Multiple Sklerose ist eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen bei jungen Erwachsenen. Manche spüren die die Auswirkungen kaum, bei anderen schränkt sie neurologische und Körperfunktionen deutlich ein. Lesen Sie, was hinter MS steckt, wie man sie erkennt und heute behandelt.

Medizinisches Fachpersonal bereitet einen Mann auf seinen MRT-Scan vor.
Ein MRT von Gehirn und Rückenmark ist zentral für die Diagnostik bei Multiple Sklerose.
© Smederevac/iStockphoto
Inhaltsverzeichnis

Überblick

MS – kurz für Multiple Sklerose – ist eine chronische, entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems, also von Gehirn und Rückenmark. Es handelt sich dabei um eine Autoimmunerkrankung: Vereinfacht gesagt greift das fehlgeleitete Immunsystem die Isolationsschicht der Nervenfasern an, die sogenannte Myelinscheide, und stört so die Signalübertragung. Je nachdem, welche Nervenleitungsbahnen betroffen sind, zeigen sich unterschiedliche Beschwerden. 

Unbehandelt kann MS zu bleibenden Einschränkungen führen – eine frühzeitige Diagnose und eine konsequente, individuell angepasste Therapie verbessern die Perspektive deutlich.

Symptome 

MS kann mit verschiedensten Krankheitszeichen einhergehen. Häufig beginnen Symptome schubweise, also plötzlich neu und bilden sich teils wieder zurück. Typisch sind zum Beispiel:

  • Sehstörungen, besonders eine schmerzhafte Entzündung des Sehnervs (Optikusneuritis) mit verschwommenem Sehen
  • Taubheitsgefühle, Kribbeln oder ein „Ameisenlaufen“ an Armen und Beinen
  • Muskelschwäche, unsicherer Gang, Gleichgewichtsstörungen, Zittern oder Verkrampfungen
  • Störungen von Blase und Darm, sexuelle Funktionsstörungen
  • Ausgeprägte Müdigkeit (Fatigue), Konzentrationsprobleme, Gedächtnisschwäche, Stimmungsschwankungen oder Depression
  • Empfindlichkeit gegenüber Wärme (z. B. in der Sauna), bei der Beschwerden vorübergehend stärker werden.

Wichtig: Viele dieser Zeichen können auch andere Ursachen haben. Verdächtig ist eine Kombination neuer neurologischer Symptome, die länger als 24 Stunden anhält. Suchen Sie bald ärztlichen Rat.

Verlauf

Mediziner unterscheiden heute grob drei Formen: die schubförmig‑remittierende MS (häufigster Beginn), die sekundär progrediente MS (langsame Zunahme nach Jahren) und die primär progrediente MS (von Anfang an schleichende Verschlechterung). Ohne Behandlung drohen häufiger Schübe, mehr Entzündungsaktivität und mit der Zeit dauerhafte Einschränkungen etwa beim Gehen, Sehen oder Denken. Gute Nachrichten: Moderne, wirksame Medikamente und ein aktives Rehabilitations‑Management können die Schubrate und das Risiko bleibender Behinderungen deutlich senken; je früher wirksam behandelt wird, desto besser.

Ursachen

Die genaue Ursache ist noch nicht abschließend geklärt. Es gilt als sicher, dass mehrere Faktoren zusammenspielen: eine Anfälligkeit in den Genen, Einflüsse der Umwelt und das Immunsystem. Sehr starke Hinweise gibt es auf eine Rolle des Epstein‑Barr‑Virus (EBV), das fast jeder Mensch einmal durchmacht – eine große Langzeitstudie zeigte ein deutlich erhöhtes MS‑Risiko nach EBV‑Infektion. Auch Lebensstilfaktoren wie Rauchen und ein zu niedriger Vitamin‑D‑Spiegel gelten als ungünstig für Risiko und Verlauf. Nichts davon „verursacht“ MS allein – aber einiges lässt sich positiv beeinflussen 

Diagnose

Der Neurologe stützt sich bei der Diagnose auf die Beschwerden, die körperliche Untersuchung und typische Befunde. Herzstück ist die Magnetresonanztomographie (MRT) von Gehirn und Rückenmark: Sie zeigt auch frische (aktiv entzündliche) und ältere Herde. Eine Nervenwasser‑Untersuchung (Lumbalpunktion) kann zusätzliche Eiweißmuster nachweisen, die bei MS häufig sind (sogenannte oligoklonale Banden). Auch evozierte Potenziale – Messungen der Nervenleitgeschwindigkeit z. B. am Sehnerv – können helfen. Für die formale Diagnose gelten international anerkannte Regeln, die sogenannten McDonald‑Kriterien. Diese beziehen verschiedene typische Merkmale ein.

Therapie

Es gibt zwei Ziele: akute Schübe schnell dämpfen und die Erkrankung langfristig bremsen.

Akuter Schub

Meist kommen einige Tage hoch dosierte Kortison‑Infusionen zum Einsatz. Bessern sich schwere Schübe dadurch nicht ausreichend, folgt in spezialisierten Zentren manchmal ein Blutwäsche‑Verfahren (Plasmaaustausch).

Langzeitbehandlung („Schub- und Progressionsbremse“)

Heute stehen zahlreiche immunmodulierende oder immunsuppressive Medikamente zur Verfügung, die dafür sorgen sollen, dass Schübe seltener auftreten. Die verschiedenen Wirkstoffe werden als Spritze verabreicht oder in Form von Tabletten gegeben. Dazu zählen Interferon-beta, Glatirameracetat, Dimethylfumarat, Fingolimod oder Cladribin sowie Antikörper‑Therapien, die bestimmte Immunzellen bremsen. Die Auswahl richtet sich nach Krankheitsaktivität, Begleiterkrankungen, Familienplanung und Risiko‑Nutzen‑Abwägung.

Rehabilitation und Alltag

Physio‑, Ergo‑ und Logopädie helfen, Beweglichkeit, Kraft, Sprache und Alltagstätigkeiten zu trainieren. Gezieltes Ausdauer‑ und Krafttraining ist bei MS ausdrücklich erwünscht und sicher – es verbessert Gehfähigkeit, Balance, Fatigue und Stimmung. Bei Spastik, Schmerzen, Blasen‑ oder Sexualstörungen stehen zusätzlich symptomatische Behandlungen zur Verfügung.

Was die Apotheke rät

Vieles können Sie selbst tun – am besten im Team mit Neurologie, Hausarzt und Apotheke:

  • Nichtrauchen: Jeder Rauchstopp verbessert die Prognose.
  • Vitamin‑D‑Status prüfen lassen und bei Mangel ärztlich begleitet ausgleichen.
  • Regelmäßig bewegen: Alltagsaktivität zählt zusätzlich 2- bis 3-mal pro Woche moderates Ausdauer‑/Krafttraining. Übungen für Balance und Standfestigkeit mindern Sturzrisiken.
  • Hitzetoleranz: Kühlen hilft – trinken, kühle Duschen, Kühlhilfen; im Sommer Termine und Training in die kühlen Stunden legen.
  • Energie managen: Pausen einplanen, Aufgaben bündeln, Hilfsmittel nutzen. Bei Fatigue Tagesstruktur und kurze Aktivitäts‑Häppchen testen.
  • Ernährung: Eine ausgewogene, mediterran geprägte Kost mit viel Gemüse, Hülsenfrüchten, Vollkorn und Fisch ist sinnvoll. Alkohol nur in Maßen.

Kurz zusammengefasst

  • MS ist eine entzündliche Autoimmunerkrankung von Gehirn und Rückenmark, die sehr unterschiedlich verlaufen kann.
  • Typisch sind schubweise neue neurologische Ausfälle; bei manchen schreitet die Erkrankung kontinuierlich voran.
  • Die Diagnose stützt sich auf MRT, Nervenwasser‑Befund und klare Regeln (McDonald‑Kriterien).
  • Akute Schübe werden mit hoch dosiertem Kortison behandelt; zahlreiche Langzeit‑Therapien senken Schubrate und Behinderungsrisiko.
  • Bewegung, Rauchstopp, Sonnenschutz mit Maß und ein guter Vitamin‑D‑Status unterstützen die Behandlung

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