WohlfühlenGesundheit

Wenn die Schulter schmerzt

Natascha Plankermann  |  01.01.2021

Dr. med. Arne Venjakob vom St. Vinzenz Krankenhaus in Düsseldorf erläutert die häufigsten Ursachen für Schulterbeschwerden und erklärt, was sich dagegen tun lässt. Venjakob ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie sowie leitender Oberarzt der Abteilung für Sportorthopädie.

Frau hat Schmerzen in der Schulter, wird von Arzt behandelt.
Schulterschmerzen können die unterschiedlichsten Ursachen haben. Bei Frauen ab 50 ist oft eine sogenannte Kalkschulter für die Beschwerden verantwortlich.
© Albina Gavrilovic/iStockphoto

Herr Dr. Venjakob, wann sollte man zum Arzt gehen, wenn die Schulter schmerzt?
Venjakob:
Treten die Beschwerden plötzlich auf, wenn man zum Beispiel einen Fahrradunfall hatte oder beim Wechseln der Reifen, dann sollte man die Ursache vom Arzt überprüfen lassen. Das gilt auch für Schulterschmerzen, die sich über längere Zeit entwickeln und mehr als sechs Wochen andauern.

Was löst typischerweise Schulterschmerzen aus?
Venjakob:
Dazu zählt vor allem das sogenannte Impingement-Syndrom. Es bedeutet, dass zwischen dem Schulterdach und den vier darunter liegenden Muskeln sowie den dazugehörigen Sehnen – auch Rotatorenmanschette genannt – eine Engstelle besteht. Meist ist diese schmerzhafte, relative Verkleinerung des Gleitraums muskulär bedingt. In Ausnahmefällen gibt es vorbestehende, durch die Anatomie bedingte oder angeborene Engstellen.

Woran merkt man, dass man betroffen ist?
Venjakob
: Wenn die Schmerzen stärker werden, sobald man den Arm seitlich hebt oder den Unterarm nach innen dreht und anhebt, als würde man eine Tasse Kaffee trinken wollen. Bei solchen Beschwerden sollten Betroffene zum Hausarzt oder zum Orthopäden gehen, der dann herausfindet, ob ein Haltungsfehler dahintersteckt. Häufig helfen Krankengymnastik und Übungen, die man zu Hause machen kann. Wenn sich jedoch eine Schleimbeutelentzündung entwickelt hat, kann man diese in Ausnahmefällen mit einer Spritze lindern. Die Spritze hilft dabei, dass man sich wieder normal bewegen kann.

Kann die Gelenkverengung anhalten?
Venjakob
: Ja leider, es gibt Menschen, die über Monate oder Jahre unter diesem Engeproblem leiden. Mitunter können Risse im Bereich der Rotatorenmanschette entstehen, besonders oft trifft es dabei die sogenannte Supraspinatussehne. Das kommt daher, dass sie immer unter dem Schulterdach hin- und hergerieben wird. Außerdem klemmt man diese Sehne ein, sobald man den Arm hebt. Dann kann es passieren, dass die Sehne reißt, vor allem bei Menschen ab 50 Jahren mit nicht mehr so elastischem Gewebe. Oft geschieht das auch, wenn sich in der Schulter ein Knochensporn entwickelt hat.

Wie helfen Sie als Arzt?
Venjakob:
Wir können die gerissene Sehne wieder an den Knochen annähen. Das ist ein kleiner Eingriff mithilfe der Schlüssellochchirurgie. Die Patienten müssen danach sechs Wochen ein Kissen unter dem Ellbogengelenk tragen und sollen den Arm nicht heben. Sie müssen außerdem durch Krankengymnastik und Übungen, die sie zu Hause machen können, an ihrer Haltung arbeiten. Der Heilungsprozess kann bis zu einem halben Jahr dauern.

Gibt es noch weitere Ursachen von Schulterschmerzen, die Sie oft sehen?
Venjakob:
Bei Frauen ab 50 Jahren entwickelt sich vielfach die sogenannte Kalkschulter. Dabei setzen sich Kalkstücke am Sehnenansatz an und sorgen dafür, dass sich der darüberliegende Schleimbeutel entzündet. Der Körper baut die Einlagerungen zwar mit der Zeit ab, aber diesen schmerzhaften Prozess können nicht alle Patienten aushalten. Wir können ihnen Schmerzmittel geben oder die Kalkdepots durch Stoßwellen zertrümmern. Es besteht auch die Möglichkeit, den Kalk operativ zu entfernen. Da die Kalkschulter auch auf einer genetischen Veranlagung basiert, können die Probleme wieder auftauchen, auch an der anderen Körperseite.

Ein ähnlich vorübergehendes, schmerzhaftes Phänomen ist übrigens die steife Schulter oder "frozen shoulder". Was verbirgt sich dahinter?
Venjakob:
Das ist eine entzündliche Verengung der Gelenkkapsel, die in drei Phasen auftritt − gelegentlich als Folge von Schilddrüsenerkrankungen oder Stoffwechselstörungen wie Diabetes. In der ersten Phase kommt es zu einer massiven Entzündung mit heftigen Schmerzen, die Schulter wird langsam unbeweglich. In der zweiten Phase versteift sie, und in der dritten Phase löst sich diese Situation wieder auf. Der gesamte Verlauf kann anderthalb bis drei Jahre dauern. Wir können die Pein durch das Spritzen von Kortison erleichtern, die die Kapsel elastischer machen. Nimmt der Leidensdruck in der zweiten oder dritten Phase zu sehr zu, kann man die Gelenkkapsel im Rahmen einer minimalinvasiven Operation durchtrennen, damit die Schulter beweglicher wird.

Gibt es im Schultergelenk auch Arthrose?
Venjakob:
Ja, sie wirkt sich auf das Schulterhauptgelenk aus. Wer dort unter Arthrose leidet, sollte die Schulter weder übermäßig belasten noch ruhigstellen. Bei alltäglichen Beschwerden empfiehlt sich eine entzündungshemmende Behandlung mit Schmerzmitteln oder eine Krankengymnastik mit Anleitung zum Selbsttraining. Bei starker Einschränkung der Alltagsfähigkeit ist es auch möglich, das Gelenk operativ zu ersetzen.

Verschwinden die Beschwerden völlig?
Venjakob:
In der Regel ja. Und selbst wenn sich die Schmerzen über Jahre entwickelt haben, können wir sie stark lindern. Wichtig ist und bleibt, im Alltag immer für die richtige Bewegung für die Schulter zu sorgen. Und wenn sie nach einem Tag am Schreibtisch schmerzt, können ein wärmendes Pflaster und eine entzündungshemmende Salbe helfen.

Vielen Dank für das Gespräch!

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