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Zucker ist bei Frauen anders

Katrin Faßnacht-Lee  |  16.01.2021

Die weiblichen Geschlechtshormone beeinflussen den Zuckerstoffwechsel in vielfältiger Weise. Was bei Frauen mit Diabetes anders läuft, weiß Privatdozentin Dr. Julia Szendrödi, leitende Oberärztin am Universitätsklinikum Düsseldorf und Expertin der Deutschen Diabetes Gesellschaft. Außerdem erklärt sie, wie sich schwankende Blutzuckerwerte besser kontrollieren lassen.

Junge Frau, misst sich den Blutzucker mit einer Lanzette.
Viele Frauen mit Diabetes haben in ihrem monatlichen Zyklus schwankende Blutzuckerwerte.
© simpson33/iStockphoto

Unterscheidet sich der Zyklus von Frauen mit Diabetes von dem stoffwechselgesunder Frauen?
Szendrödi: Es gibt tatsächlich Hinweise, dass der Zyklus bei Frauen mit Diabetes anders ist. Sie haben oft längere Zyklen und stärkere Blutungen. Mitunter berichten gerade jüngere Frauen von unter 30 Jahren mit Typ-1-Diabetes auch von stärkeren Menstruationsbeschwerden. Wenn die Frauen älter werden, findet man die Unterschiede weniger. Die Gründe sind nicht geklärt.

Wirkt sich der Zyklus auch auf den Blutzucker aus?
Szendrödi: Ja, das tut er. Etwa zwei Drittel aller Frauen mit Diabetes haben aufgrund des Zyklus schwankende Blutzuckerwerte. Das ist übrigens einer der Gründe, warum man in Studien seltener Frauen vor den Wechseljahren untersucht. Vor allem in der zweiten Zyklushälfte zeigen sich Unterschiede: Die Insulinempfindlichkeit nimmt ab. Das liegt vor allem daran, dass das sogenannte Gelbkörperhormon Progesteron dann ansteigt. Wie stark die Insulinempfindlichkeit schwankt, ist aber individuell sehr unterschiedlich. Manche Frauen nehmen das kaum wahr, bei anderen ist es sehr ausgeprägt und sie müssen gegensteuern. Wenn die Menstruation einsetzt, normalisieren sich Hormonspiegel und auch Insulinempfindlichkeit wieder.

Wie lässt sich der Blutzucker bei starken Schwankungen besser in den Griff bekommen?
Szendrödi: Entscheidend ist, dass die Frau Schwankungen aufgrund des Zyklus zunächst erkennt. Da sich das von Frau zu Frau stark unterscheidet, hilft es nur, wenn man tatsächlich über mehrere Monate einen Menstruationskalender führt und dann die Muster vergleicht. Dafür gibt es auch Apps. Wenn eine Frau dadurch dahinterkommt, dass sich der Zyklus auswirkt und einen Stolperstein darstellt, hilft das schon enorm und motiviert auch. Konkret brauchen Frauen mit intensivierter Insulintherapie in der Woche vor der Menstruation oft höhere Insulindosen. Dazu lässt sich beispielsweise die Basalrate der Insulinpumpe höher einstellen, etwa um 10 bis 15 Prozent. Bei einer Behandlung ohne Insulin hilft es eigentlich immer, mit Sport dagegen zu arbeiten. Denn Bewegung erhöht die Glukoseaufnahme, ohne dass gleichzeitig das Unterzuckerungsrisiko steigt, außer in Kombination mit Insulintherapie oder Sulfonylharnstoffen.

Wirken sich auch die Wechseljahre auf den Diabetes aus?
Szendrödi: Es gibt Hinweise, dass die Menopause bei Typ-1- und Typ-2- Diabetes früher einsetzt. Das sollten Frauen mit Diabetes auch bei der Familienplanung bedenken. Ursache kann sein, dass es zu diabetesassoziierten Veränderungen in den Gefäßen kommt, die den Alterungsprozess in den Eierstöcken beschleunigen. Außerdem kann sich die hormonelle Umstellung in der Menopause auf die Kontrolle des Zuckerstoffwechsels und diabetesassoziierte Folgeerkrankungen auswirken. Kurz erklärt: Erhöhte Östrogenspiegel verbessern die Insulinempfindlichkeit, während mehr Gelbkörperhormon die Insulinresistenz verstärkt. Das heißt, sowohl der Abfall von Östrogen als auch der teilweise sprunghafte Anstieg während der Wechseljahre bewirkt, dass der Blutzuckerspiegel bei gleichbleibender Therapie auf und ab geht. Das kann Über- und Unterzuckerungen verursachen. In der Menopause nehmen Frauen auch häufiger um den Bauch herum zu. Das führt wiederum zu Insulinresistenz und zu einem schwerer einstellbaren Zucker. Frauen bekommen auch verstärkt ab Anfang bis Mitte 50 einen Typ-2-Diabetes.

Wie kommen Frauen in der Menopause besser mit ihrem Zucker klar?
Szendrödi: Wichtig ist es, engmaschiger zu kontrollieren. Zusammen mit dem Diabetologen überlegen, ob man bei einem Typ-1-Diabetes in Verbindung mit Adipositas und Insulinresistenz zusätzlich noch Antidiabetika verwenden könnte, die sonst bei Typ-2-Diabetes eingesetzt werden. Übrigens haben Frauen nach der Menopause oft ein schlechteres Risikoprofil für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, wie beispielsweise erhöhte Blutfettwerte.

Ist dadurch zusätzlich die Gefahr für Herzinfarkt und Schlaganfall erhöht?
Szendrödi: Ja. Frauen mit Diabetes haben gegenüber den Männern für Herzinfarkt ein um 40 Prozent und für Schlaganfall ein bis zu 25 Prozent erhöhtes Risiko. Das ist schon deutlich, zumal Menschen mit Diabetes ja generell gefährdeter sind. Gründe sind zum einen die bekannten Risikofaktoren wie erhöhte Blutzucker- und Cholesterinwerte, Bluthochdruck und Übergewicht. Hinzu kommen entzündliche Prozesse, die zusätzlich die Gefäßfunktion verändern und bei Frauen nach den Wechseljahren noch stärker ausgeprägt sein könnten. Zum anderen ist auch die Selbstfürsorge der Frauen etwas geringer. Sie kümmern sich oft besser um andere als um sich selbst. Letzteres ist aber wichtig. Wenn eine Therapie beispielsweise nicht gut vertragen wird, gilt es, nicht aufzugeben, sondern beim Arzt nachzufragen. Es gibt ja Alternativpräparate. Und auch wir Ärzte müssen verstärkt darauf achten, dass Frauen die richtige Therapie finden, um ihre Risikofaktoren zu reduzieren.

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