Psyche

Bärbel Schäfer: "Einsamkeit ist ein Tabu"

aponet.de  |  15.04.2022

Viele kennen Bärbel Schäfer aus ihrer Fernsehzeit. Inzwischen arbeitet sie vor allem als Sachbuchautorin. Aktuell widmet sie sich dem Thema Einsamkeit.

Bärbel Schäfer
Bärbel Schäfer hat sich in ihrer Jugendzeit häufiger isoliert und einsam gefühlt.
© Esther Haase

Frau Schäfer, während der ersten beiden Lockdowns haben Sie an einer Einsamkeits-Studie der Ruhr-Universität Bochum teilgenommen. Was hat Sie dazu bewogen?

Schäfer: Die ersten Lockdowns waren für uns alle eine Herausforderung mit nie gekannten emotionalen Höhen und Tiefen. Die tägliche, anonymisierte Reflektion, wie es mir ohne den Kontakt zu meinen Kolleginnen und Kollegen, mir nahestehenden Menschen oder mit abgesagten Moderationen erging, fand ich spannend. Ich habe mich auf eine Reise zu meinem Befinden in einem Ausnahmezustand begeben und mir dafür täglich etwa 20 Minuten Zeit genommen. Obwohl die Tage gleichförmig erschienen, gab es Tage, an denen ich mich einsamer gefühlt habe als an anderen Tagen.

Manche Experten sprechen neben einer Corona- bereits von einer Einsamkeits-Pandemie, wie sehen Sie dies?

Schäfer: Manchmal scheint die Welt größer als man selbst, und wir fühlen uns ameisenklein. Zerbrechlich und eingeschüchtert. Die Hauptfigur aus meinem Buch »Avas Geheimnis« ist sich selbst verloren gegangen. Ava hatte lange Zeit niemanden mehr, von dem sie Zuspruch annehmen konnte, und niemanden, dem sie ihre Einsamkeit zumuten wollte. Einsamkeit beschämt. Einsamkeit ist ein Tabu und viele von uns sind gut darin, ihre Einsamkeit zu verstecken.

Was bedeutet Einsamkeit für Sie persönlich?

Schäfer: Einsamkeit heißt für mich, mein Handlungspotenzial nicht voll ausschöpfen zu können. Trotz Öffentlichkeit, zahlreichen Followern, einer wöchentlichen Radioshow und Eingebundensein in meine Familie kenne auch ich Phasen der Einsamkeit. Als Jugendliche war es schlimmer als heute. Als Teenager damals viel es mir schwer, über meine Einsamkeit zu sprechen und diese Phasen nicht als Scheitern zu betrachten.

Ab wann macht das Alleinsein krank?

Schäfer: Wenn es unfreiwillig ist. Wenn wir keine Ressourcen haben, das Alleinsein nach Krisen, zum Beispiel einer Trennung, dem Tod eines Partners/in, dem Wegfall eines konkreten Lebensentwurfes, zu bewältigen. Wenn wir beginnen, das Risiko einer Begegnung zu meiden, Treffen bewusst absagen, uns mehr und mehr zurückziehen. Wenn die Angst wächst, zu handeln und dabei Fehler zu machen. Wenn das Gefühl von Bedürftigkeit und Scham über unser Alleinsein wächst, wir es aber nicht ansprechen.

Was kann man aus Ihrer Sicht für jemanden tun, der aus der Welt gefallen scheint? Gibt es dazu Tipps in Ihrem neuen Buch?

Schäfer: Dranbleiben! Nicht aufgeben. Diesen Mitmenschen immer wieder ansprechen, ins Boot von Aktivitäten holen, zur Teilhabe auffordern und versuchen, ihn einzubinden. Es ist wichtig, sich nicht abschrecken zu lassen, denn vereinsamte Menschen haben die geschmeidige Kommunikationsfähigkeit oftmals lange nicht geübt.

Bei gesundheitlichen Problemen Hilfe anbieten und suchen – sehen Sie da auch Apotheken als Anlaufstelle?

Schäfer: Ja, lang andauernde Einsamkeit ist Stress für den Körper und die Seele, und da kann die Apotheke eine Anlaufstelle sein und kann Menschen auch mit einem Netzwerk an sozialen Aktivitäten im Stadtteil einbinden oder Anregungen geben.

Vielen Dank für das Gespräch!

Die Fragen stellte Peter Erik Felzer.

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