Pflanzliche Medizin

Echinacea für die Abwehr: Vom Feld bis zum Arzneisaft

Katrin Faßnacht-Lee  |  15.09.2021

Der Arzneimittelmarkt ist international und hochtechnologisiert. Doch es gibt noch Heilmittel aus traditioneller und regionaler Herstellung. Wir haben uns auf den Weg nach Baden-Württemberg gemacht. Dort werden Heilpflanzensäfte gepresst – zum Beispiel aus Purpursonnenhut zur Stärkung des Immunsystems.

Sonnenhut-Feld.
Extrakte des Sonnenhuts, auch bekannt als Echinacea, können die Abwehrkräfte stärken.
© NAI

Südöstlich von Stuttgart, eingebettet in eine hügelige Landschaft liegt Magstadt. Eine 10.000-Seelen-Gemeinde und Produktionsstädte einer ganz besonderen Arzneimittelzubereitung: Frischpflanzenpresssäfte. Seit 1928 werden diese hier gepresst. Die Idee stammt von einem Apotheker. Er wollte eine Arznei herstellen, die alle Wirk- und Begleitstoffe der Heilpflanze enthält, rein und unverändert, und damit gut verfügbar und verträglich für den Menschen.

Regionaler Anbau bevorzugt

Noch heute, fast 100 Jahre später, läuft die Produktion auf vollen Touren. Die Pflanzen kommen fast ausschließlich aus der unmittelbaren Umgebung. Nur Exoten wie Artischocke oder Kaktusfeige haben eine weitere Anreise. Der Sonnenhut, Echinacea, wächst auf den heimischen Feldern. Seine purpurfarbenen Blüten leuchten in den Sommermonaten schon aus der Ferne. Ende September erfolgt eine zweite Ernte. "Echinacea ist eine unserer wichtigsten Kulturen", erklärt Jonas Winter, Juniorchef der Gärtnerei, die nunmehr seit vier Generationen die Heilpflanzen für die Presssäfte produziert. "Insgesamt bauen wir aber 35 verschiedene Kulturen an. Dazu gehören Brennnessel und Löwenzahn genauso wie Kartoffel oder Schwarzrettich." Alles in Bioqualität.

Der 27-Jährige steuert seinen Mählader Reihe um Reihe über das riesige, blühende Feld. Einige Meter weiter ackert ein ganzer Trupp an Hilfskräften mit der Handhacke. Jedes Jahr beschäftigt die Großgärtnerei bis zu 15 Mitarbeiter zum Unkrautjäten – Beseitigen von Beikräutern heißt das im Fachjargon. 40.000 Stunden Handarbeit kommen zusammen, um die insgesamt etwa 100 Hektar "sauber" zu halten. "Bei der Heilmittelproduktion darf nichts zwischendrin wachsen", betont Winter. "Denn viele Beikräuter haben Inhaltsstoffe, die wir nicht im Pflanzensaft haben wollen. Beispielsweise bestimmte Alkaloide, die die Leber schädigen könnten. Da reichen auf einem  Hektar schon fünf Pflanzen, dann ist die Ernte nicht mehr verwendbar." 

Geerntet, gepresst und abgefüllt

Wieder rattert der Mählader vorüber. Er kappt den Sonnenhut einige Zentimeter über der Erde, zerschneidet ihn grob und schleudert ihn auf die Ladefläche. Der TX 94 ist eine Sonderanfertigung, denn Maschinen zur Heilpflanzenernte werden nicht in Serie produziert. Ist die Ladefläche voll, geht es direkt zur 15 Minuten entfernten Produktionshalle. Einmal auf der befahrbaren Waage wiegen, dann abladen. Etwa drei bis vier Wagenladungen – rund 12 Tonnen – können pro Tag gepresst und abgefüllt werden. Dazu wird das Pflanzengut zunächst von zwei Mitarbeitern auf Förderbändern verteilt, geschnitten und dann mit heißem Wasser bedampft. Eine Hubsäule transportiert die Pflanzenteile in einen abgeschlossenen Raum mit höchstem Hygienestandard zur Presse. Die sogenannten Packstapel bestehen aus Akazienholz, die mit Tuch ausgekleidet sind. "Wir nutzen ein ganz traditionelles Pressverfahren. So bleibt unsere Produktqualität seit Jahrzehnten unverändert, wenngleich die Anlagen mittlerweile hochmodern sind", erklärt Herstellungsleiter
Martin Motzer. "Die hydraulische Presse arbeitet mit bis zu 270 bar Druck, das ist, wie wenn ein Elefant auf einem Fuß stehen würde. So bekommen wir aus einem Kilogramm Echinacea etwa 750 Milliliter Saft."

Direkt nach dem Pressen werden erste wichtige Laborwerte gemessen. Fallen die zur Zufriedenheit aus, gelangt der Saft zur Zentrifuge, um Feststoffe zu beseitigen, dann wird er kurze Zeit hocherhitzt, um ihn haltbar zu machen. Die Abfüllung erfolgt unter sterilen Bedingungen. So ist der Echinacea-Presssaft ungeöffnet drei Jahre haltbar, ganz ohne Alkohol, Zucker oder andere Konservierungsstoffe. Dafür stecken reichlich Wirkstoffe im Produkt. Die Cichoriensäure aus dem Sonnenhut soll die Abwehrkräfte anregen und außerdem zellschützende Eigenschaften haben. Studien konnten zeigen, dass der Gehalt der Cichoriensäure in den Frischpflanzenpresssäften, die nach dem beschriebenen Verfahren hergestellt wurden, besonders hoch und konstant ist.

Nachschub gesichert

Durch die Produktionshalle zieht ein ganz eigener Duft – nach Sonnenhut. Hinter Glas ist die Abfüllmaschine zu erkennen. "Die Etiketten bekommen die Flaschen übrigens erst, wenn alle Laborwerte kontrolliert wurden. Dazu gehören neben dem Wirkstoffgehalt auch die Untersuchung auf Pestizide und vieles mehr", betont Motzer. Dann erfolgt die Freigabe, und die Säfte können ausgeliefert werden. 2020 haben die Vorräte gerade so bis zur nächsten Ernte gereicht, da viele Menschen in der Corona-Pandemie ihre Abwehrkräfte stärken wollten. Damit das dieses Jahr nicht passiert, hat die Gärtnerei Winter fleißig Echinacea gepflanzt. Die letzten purpurnen Blüten stehen gerade noch auf den Feldern, bevor sie spätestens Anfang Oktober in den Flaschen landen. 

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