Sind zu viele Kalorien nicht die Ursache für Übergewicht?

Dr. Karen Zoufal | 14.09.2021

Wissenschaftler sind der Meinung, dass nicht zu viele Kalorien schuld daran sind, dass immer mehr Menschen fettleibig sind. Sie halten vielmehr Lebensmittel mit einem hohen Gehalt an leicht verdaulichen Kohlenhydraten für die Übeltäter, schreiben sie in der Zeitschrift „American Journal of Clinical Nutrition“.
Leicht verdauliche Kohlenhydrate stecken unter anderem in Weißmehlprodukten wie Hamburger, Pizza oder Baguette. image.originalResource.properties.copyright

Man geht davon aus, dass Übergewicht entsteht, wenn mehr Kalorien aufgenommen werden, als der Körper verbraucht. Entsprechend heißt es üblicherweise, dass Abnehmen nur funktioniert, wenn man die Kalorienaufnahme reduziert und den Verbrauch durch mehr Bewegung steigert.

Forscher aus den USA stellen dieses Konzept nun in Frage. Sie gehen stattdessen davon aus, dass leicht verdauliche Kohlenhydrate und die anschließende Ausschüttung von Hormonen Fettpolster wachsen lassen: Beim Verzehr von verarbeiteten Lebensmitteln mit schnell verfügbaren Kohlenhydraten kommt es zu einer hohen Ausschüttung von Insulin, während die Abgabe von Glukagon gehemmt wird. Dies begünstigt eine Speicherung der überschüssigen Energie in den Fettzellen, während den Muskeln und anderen Geweben weniger Energie zur Verfügung steht.  Das Gehirn nimmt dies als Energiemangel wahr und gibt das Signal „Hunger“, obwohl Fett eingelagert wird. Zusätzlich kann sich der Stoffwechsel verlangsamen, um Energie zu sparen.

Dieses „Kohlenhydrat-Insulin-Modell“ ist nicht neu – es ist schon seit etwa einem Jahrhundert bekannt. Viele Forscher halten es für einen besseren Weg, als die Menschen dazu aufzufordern, weniger zu essen, was die wenigsten auf lange Sicht durchhalten. Prof. Dr. Ludwig Dr. von der Harvard Medical School glaubt: „Eine Reduzierung der leicht verdaulichen Kohlenhydrate, die uns seit der Ära der fettarmen Ernährung überfluten, verringert das Speichern von Körperfett. Dadurch können die Menschen mit weniger Hunger und Kampf leichter Gewicht verlieren.“ Die Wissenschaftler weisen aber darauf hin, dass mehr Forschung erforderlich ist, um beide Modelle zu testen und zu eindeutigen Ergebnissen zu kommen.

Quelle: DOI 10.1093/ajcn/nqab270