Apotheker Rüdiger Freund
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10.05.2025 09:15 Uhr
Meerrettich: Mehr als nur ein scharfes Gewürz
Die Wurzel des Meerrettichs (Armoracia rusticana) ist vor allem als scharfes Küchengewürz bekannt. Weniger bekannt ist ihre Bedeutung als Heilpflanze: Innerlich angewendet kommt sie traditionell bei Entzündungen der Harnwege (z. B. Blasenentzündung) und der Atemwege (Erkältungen, Bronchitis, Sinusitis) zum Einsatz. Verwendet wird hierfür die Wurzel – frisch gerieben oder getrocknet –, etwa als Presssaft oder in Form von Fertigpräparaten zum Einnehmen.
Heilende Inhaltsstoffe: Senföle mit antibakterieller Wirkung
Ihre heilsame Wirkung verdankt die Meerrettichwurzel den sogenannten Senfölglykosiden. Diese Pflanzenstoffe (u. a. Sinigrin und Gluconasturtiin) werden beim Zerkleinern der Wurzel in scharf schmeckende Senföle (Isothiocyanate) umgewandelt. Die freigesetzten Senföle wirken erwiesenermaßen antibakteriell – je nach Dosis hemmen sie Bakterien oder töten sie ab.
Labortests zeigen ein breites Wirkspektrum sowohl gegen gramnegative als auch grampositive Keime und sogar eine antivirale Wirkung der Meerrettich-Inhaltsstoffe. Darüber hinaus enthält die Wurzel auch Vitamin C, was sie in vergangenen Zeiten besonders für Seefahrer interessant machte.
Wissenschaftlich bestätigt: Studien zur Wirksamkeit
Moderne Studien untermauern die Wirksamkeit von Meerrettich. Besonders gut untersucht ist eine Kombination aus Meerrettichwurzel und Kapuzinerkresse (Tropaeolum majus). In einer placebo-kontrollierten klinischen Studie mit 384 Patienten beschleunigte diese Kombination die Genesung bei akuter Bronchitis signifikant: Bereits nach drei Tagen verbesserten sich Husten, Auswurf und Brustschmerzen deutlicher als unter Placebo.
Kombination mit Kapuzinerkresse: Doppelter Effekt
Auch bei wiederkehrenden Harnwegsinfekten hat sich das Duo als wirksam erwiesen. Eine Auswertung von Krankendaten ergab, dass Patienten mit wiederkehrender Blasenentzündung unter der Einnahme der Pflanzenkombination seltener Rückfälle erlitten als unter Antibiotika. Entsprechend wird die Kombination aus Kapuzinerkresse und Meerrettich in medizinischen Leitlinien als Behandlungsoption bei häufigen Blasenentzündungen empfohlen.
Anwendung und Verträglichkeit: Was es zu beachten gilt
Die Scharfstoffe des Meerrettichs können in höherer Dosierung die Schleimhäute reizen. Empfindliche Personen reagieren manchmal mit Magenschmerzen oder Bauchbeschwerden. Daher sollte Meerrettichwurzel bei Magen- oder Darmgeschwüren nicht innerlich angewendet werden. Auch von einer Einnahme bei Nierenerkrankungen oder Schilddrüsenproblemen wird abgeraten. In der Schwangerschaft und Stillzeit sowie bei Kleinkindern unter 4 Jahren sollte auf Meerrettich als Heilmittel verzichtet werden. Bei sachgemäßer Anwendung und Dosierung gilt die Meerrettichwurzel jedoch als gut verträglich. Aufgrund ihres vielfältigen Wirkspektrums wurde sie sogar zur Heilpflanze des Jahres 2021 gekürt.