Jugendliche

Transition – gut betreut im Jugendalter

Katrin Faßnacht-Lee  |  16.05.2023

Die Pubertät birgt in Sachen Diabetes-Management einige Hürden – von der Blutzuckereinstellung bis zum Finden eines geeigneten Erwachsenen-Diabetologen. Dr. Thomas Kapellen, Experte der Deutschen Diabetes Gesellschaft, gibt Tipps für diese schwierige Phase.

Junges Mädchen, misst ihren Blutzucker.
Wenn Kinder mit Diabetes erwachsen werden, birgt das mehrere Herausforderungen - nicht zuletzt muss ein neuer Arzt gefunden werden, der die Therapie begleitet.
© Allchonok/iStockphoto

Warum sind Pubertät und Diabetes eine schwierige Kombination?

Dr. Thomas Kapellen: In der Pubertät schreitet die Entwicklung im Gehirn deutlich voran. Eine Hauptkonsequenz ist, dass Dinge bezüglich ihres Risikos nicht richtig eingeschätzt werden können. Und das ist bei einer Erkrankung wie dem Diabetes nicht besonders hilfreich. Zusätzlich haben Jugendliche in diesem Alter oft andere Prioritäten. Da spielen Gespräche mit den Freunden eine größere Rolle, als in der Pause den Blutzucker zu checken und dann auch noch Insulin zu spritzen.

Warum spielt der Blutzuckerspiegel in diesem Alter zusätzlich verrückt?

Kapellen: Während der Pubertät wirken mehr Hormone gegen das Insulin: Sie verschlechtern die Insulinwirksamkeit oder verursachen eine Insulinresistenz. Die Schwankungen sind vor allem nachts und am frühen Morgen wegen der frühmorgendlichen Ausschüttung von Wachstumshormonen größer. Das führt zum sogenannten Dawn-Phänomen, mit einem Anstieg des Blutzuckers zwischen drei und sechs Uhr. Wenn man mit einem hohen Wert startet und dann frühstückt, zieht sich das oft über den ganzen Vormittag hin.

Trotz allem wollen und müssen Jugendliche in dieser Zeit mehr Eigenverantwortung übernehmen. Wie kann das gelingen?

Kapellen: Problematisch ist das mitunter bei Eltern, deren Kinder den Diabetes schon im Kleinkindalter bekommen haben. Da fällt es oft vor allem den Müttern schwer, Aufgaben abzugeben. Doch das ist wichtig. Beispielsweise möchte ich die Jugendlichen ab einem gewissen Alter auch für eine Weile allein in der Sprechstunde sehen, etwa ab 12 bis 14 Jahren. So fühlen sie sich ernst genommen. Außerdem gilt es, klare Absprachen zu treffen. Wenn Jugendliche gar nicht für ihren Diabetes da sein wollen, kann man auch mal mit einem Belohnungssystem arbeiten: Man hat eine Aufgabe und dafür bekommt man dann eine Gegenleistung. Und wenn das in der Familie nicht klappt, kann man die Absprachen auch zusammen mit dem Doktor in schriftlicher Form festlegen. Das machen wir oft.

Ein großes Problem stellt mitunter der Wechsel vom Kinder- zum Erwachsenen-Diabetologen dar – die Transition. Warum?

Kapellen: Da gibt es zum einen die Problematik, dass wir in der Kinderheilkunde die Patienten deutlich mehr umsorgen. Sie haben die Behandlung beim Arzt, können mit dem Psychologen des Diabetesteams sprechen, haben häufiger Kontakt zu den Beraterinnen und Beratern. Das alles kann eine Schwerpunktpraxis nicht immer leisten. Auch erinnert der Diabetologe nicht an Termine, Rezepte oder Ähnliches. Er erwartet Eigenverantwortung. Und dann ist noch das Problem, dass mit zunehmender Technik nicht jede diabetologische Praxis das Spektrum der technischen Möglichkeiten abdecken kann. Die Praxen behandeln viel mehr Typ-2-Patienten. Da fehlt die Erfahrung, die eine große Ambulanz im Kinderbereich mit 400 bis 500 Kindern und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes hat. Wir haben Daten analysiert, die zeigen, dass es ein Jahr nach Transition eine Verdopplung der schweren Hypoglykämien und Ketoazidosen gibt.

Wie lässt sich diese Situation verbessern?

Kapellen: Die Deutsche Diabetes Gesellschaft wird ein Zertifikat für Technik schaffen. So können sich Praxen schwerpunktmäßig qualifizieren, und der Kinder-Diabetologe sieht, wohin er einen Jugendlichen schicken kann. Bisher funktioniert die Transition oft durch persönlichen Kontakt. Doch auch wenn man einen Diabetologen vermittelt, weiß man nicht, ob der Jugendliche da auch ankommt. Das geht besser in einem sogenannten Transitionsprogramm. Dabei übernimmt ein Fallmanager die gesamte Organisation, sowohl beim Kinder- als auch beim Erwachsenen-Diabetologen. Er sorgt beispielsweise dafür, dass es einen ordentlichen Arztbrief sowie einen Termin gibt, dass dieser eingehalten wird und so weiter. Das Ganze wird von einigen Krankenkassen bezahlt, ist aber nicht flächendeckend geregelt.

Wann sollte man sich mit dem Thema Transition beschäftigen?

Kapellen: Am besten fängt man zwischen 14 und 16 Jahren an und informiert sich bei seinem Kinder-Diabetologen, ob die Möglichkeit zur Teilnahme an einem Transitionsprogramm besteht. Wann die Transition stattfindet, ist in den Bundesländern übrigens unterschiedlich. In manchen müssen Praxen ihre jugendlichen Patienten mit 18 Jahren abgeben, in anderen gibt es einen Korridor von 18 bis 21, der Vorteile hat, wenn man gerade mitten in Prüfungen steckt.

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