Baby & Familie

Warum RSV die Kinderkliniken ans Limit bringt

JB  |  17.12.2022

Das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) sorgt in letzter Zeit für volle Kinderkliniken. Im Gespräch mit aponet.de schildert Prof. Dr. med. Eckard Hamelmann, Ärztlicher Direktor der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin in Bielefeld, die aktuelle Situation und gibt Verhaltenstipps für Eltern.

Frau hält ihr Baby auf dem Arm
Das RS-Virus bedroht zurzeit viele, vor allem sehr kleine Kinder.
© IStock.com/Pascal Skwara

Auf den Intensivstationen vieler deutscher Kinderkliniken herrscht zurzeit Land unter. Auch Notaufnahmen und Kinderarztpraxen sind mit dem großen Ansturm kleiner Patienten überfordert. Aber nicht nur RSV, sondern auch andere Atemwegs-Erkrankungen und Influenza-Infektionen tragen zu dieser angespannten Situation bei. „Viele der kleinen Patienten brauchen zusätzlichen Sauerstoff oder müssen beatmet werden. Dazu kommt, dass zahlreiche dieser Kinder, die eigentlich auf die Intensivstation gehören, auf Normalstationen behandelt werden“, erklärt Hamelmann. Aufgrund des akuten Fachkräftemangels könnten die meisten Krankenhäuser nicht alle Intensiv-Betten freigeben.

Personalmangel durch Pandemie

Laut Hamelmann tragen hauptsächlich drei Gründe zum Versorgungsnotstand der kleinen RSV-Patienten bei: „Der erste Grund steht im großen Kontext Pandemie. Wir haben einige Pflegekräfte verloren, die die große Belastung nicht mehr mitmachen wollten und sich deshalb aus dem Gesundheitswesen zurückgezogen haben.“ Zweitens seien viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zurzeit wegen Corona krankgeschrieben. Als dritten Grund nennt Hamelmann eine pandemiebedingte sehr frühe und steile Welle von RSV-Infektionen, da Kinder und Jugendliche in den letzten zweieinhalb Jahren nur sehr wenig mit Krankheitserregern in Kontakt gekommen sind. Mit den Lockerungen der Corona-Schutzmaßnahmen gebe es einen starken Anstieg von Infektionskrankheiten, die insbesondere kleine Kinder im Alter von ein bis vier Jahren, die jetzt in der Kita sind, träfen. Während ansonsten gesunde Kleinkinder die Infektion meist gut verkraften, sieht das bei jüngeren Geschwisterkindern im Säuglingsalter oft anders aus: „Die typische Konstellation auf der Intensivstation zurzeit ist ein stark erkranktes Neugeborenes oder kleiner Säugling mit einem Geschwisterkind im Kita-Alter“, berichtet der Arzt.

Deshalb macht RSV gerade kleinste Kinder so krank.

Beim RS-Virus handelt es sich um ein Erkältungsvirus, das vor allem in den Wintermonaten für eine Erkrankungswelle sorgt. Es ist extrem ansteckend, unter normalen Bedingungen haben nahezu alle Kinder bis zum zweiten Lebensjahr eine Infektion mit RSV durchgemacht. In den meisten Fällen verlaufen die Erkrankungen mild. Jedoch sind insbesondere Frühgeborene, herz- oder lungenkranke Kinder besonders gefährdet, einen schweren Verlauf zu erleiden. Das liegt an der speziellen Arbeitsweise des Virus. Laut Hamelmann nimmt es sich die obersten Zellschichten der Atemwege vor: „Es sorgt dafür, dass diese Zellen miteinander verschmelzen und absterben. In der Folge bildet sich daraus ein sehr zähes Sekret, das abgehustet werden muss.“ Da die Atemwege von Neugeborenen noch sehr eng seien, falle es diesen Kindern besonders schwer, das Sekret abzuhusten. Im Extremfall könnten sie daran ersticken.

Prophylaxe ja, Schutzimpfung nein

Derzeit gibt es keine aktive Schutzimpfung gegen RSV. Auch schützt eine vorangegangene Erkrankung nicht vor einer erneuten Infektion. Deshalb rollt jedes Jahr aufs Neue die RSV-Welle durchs Land. Eine Prophylaxe im Sinne einer passiven Immunisierung steht allerdings zu Verfügung. Dabei handelt es sich um einen Antikörper, der während der RSV-Saison monatlich verabreicht wird, allerdings nicht jedem Kind. Bisher ist das Präparat nur für ausgewählte Risikogruppen (Hochrisiko-Kinder) gedacht, zum Beispiel Frühgeborene geboren bis zur 35. Schwangerschaftswoche oder Babys, die mit bestimmten Herz- oder Lungenproblemen geboren wurden. Unter bestimmten Voraussetzungen können auch weitere Gruppen diese Prophylaxe erhalten. „Das sind zum Beispiel die etwas größeren Frühgeborenen, die in die RSV-Saison hinein geboren werden“, so Hamelmann. „Die Eltern sollten versuchen, mit ihrem Kinderarzt die Möglichkeiten zu besprechen, auch für ihr Kind diese Prophylaxe zu erhalten.“ Seinem Eindruck nach gehen einige Ärzte noch zu zögerlich mit der Prophylaxe um.

Generell empfiehlt Hamelmann für diese aktuelle Zeit: „Kursieren gerade starke Infekte in der Kita, lässt man größere Geschwisterkinder nach Möglichkeit zu Hause, wenn man einen kleinen Säugling oder Neugeborenen zu Hause hat.“ Bei einfachen Infekten von Kleinkindern und nicht mehr ganz so kleinen Säuglingen rät er aber, Ruhe zu bewahren. „Bei etwas Schnupfen, Husten und leichtem Fieber kann man erst einmal abwarten und eventuell fiebersenkende Mittel geben. Wenn die Kinder ruhig und gleichmäßig atmen und nicht über mehrere Tage anhaltendes Fieber von über 39°C haben, ist ein Arztbesuch nicht unbedingt nötig. Aber: Neugeborene unter 3 Monaten mit anhaltendem hohem Fieber müssen zum Kinderarzt!“

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