SeniorenGesundheit

Die Wahrheit über Vitamin D

Natascha Koch  |  15.09.2021

Vitamin D steht immer wieder im Fokus des allgemeinen Interesses. Es soll angeblich das Immunsystem stärken und Herzerkrankungen, Diabetes, Rheuma und neuerdings auch Covid-19 positiv beeinflussen. Was die Wissenschaft sicher weiß, wer Vitamin D braucht und wie man sich am besten damit versorgt, lesen Sie hier.

Junge Frau, stützt sich an einem Steg am, Strand im Hintergrund.
Für eine gute Vitamin-D-Versorgung müssen wir regelmäßig nach draußen ins Freie. Denn unser Körper braucht Sonnenstrahlen, um das Vitamin herzustellen.
© stockfour/iStockphoto

Was ist Vitamin D überhaupt?

Vitamin D ist eigentlich gar kein Vitamin, sondern ein Hormon, das der Körper für lebenswichtige Prozesse benötigt. "Etwa 85 bis 90 Prozent bildet der Körper selbst, mithilfe von UV-Strahlung «, erklärt Professor Dr. Helmut Schatz, emeritierter Direktor der Medizinischen Universitätsklinik Bergmannsheil der Ruhr-Universität Bochum und Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie. Nur ein geringer Teil wird über die Nahrung aufgenommen, etwa durch Lachs oder Hering, Hühnereier, Champignons, Pfifferlinge, Kalbs- oder Rinderleber. "Allein über die Ernährung lässt sich jedoch keine ausreichende Versorgung mit Vitamin D erreichen. Am wichtigsten ist es, raus ins Freie zu gehen – am besten jeden Tag für etwa eine halbe Stunde mit unbedeckten Händen und Gesicht",empfiehlt Schatz. Auch bei bewölktem Himmel und selbst im Winter sei unser Körper in der Lage, Vitamin D über die Haut zu bilden – wenn auch nicht so viel wie bei strahlender Sonne im Sommer.

Wie gut sind die Deutschen mit Vitamin D versorgt?

In den vergangenen Jahren hieß es immer wieder, dass so gut wie alle Deutschen einen Mangel an Vitamin D hätten. Dem ist allerdings nicht so: Nach Gesundheitsdaten, die das Robert Koch-Institut (RKI) von 2008 bis 2011 für Deutschland erhoben hat, erreicht zwar gut jeder zweite Erwachsene keine ausreichenden Vitamin-D-Werte von über 50 nmol/l (20 μg/l) im Blut. Von einem richtigen Mangel wird jedoch erst bei Serumwerten unter 30 nmol/l (12 μg/l) gesprochen. Hiervon waren 15 Prozent der Studienteilnehmer betroffen.

Gibt es Risikogruppen für einen Vitamin-D-Mangel?

Einige Personen haben laut RKI ein höheres Risiko für einen Mangel. Dazu gehören:

  • Personen, die sich selten im Freien aufhalten
  • Senioren über 65, da mit dem Alter die Eigenproduktion von Vitamin D nachlässt
  • Säuglinge, die der Sonne nicht direkt ausgesetzt werden dürfen
  • Personen, die etwa aus religiösen Gründen nur mit bedeckter Haut ins Freie gehen
  • eine dunkle Hautfarbe, da sie weniger durchlässig für UV-Strahlen ist
  • Personen mit chronischen Darm-, Leber- oder Nierenkrankheiten

Auf welche Krankheiten hat Vitamin D einen Einfluss?

Wissenschaftlich gesichert ist der Zusammenhang Schatz zufolge bei nur wenigen Krankheiten. Dazu zählen:

  • Rachitis: Bei Babys mit Vitamin-D-Mangel werden die Knochen unzureichend mineralisiert, sie bleiben weich und können sich verformen. Um diesem Krankheitsbild vorzubeugen, erhalten Säuglinge bis zum Ende des ersten Lebensjahres zusätzlich Vitamin D in Form von Tabletten.
  • Malabsorption bei chronischen Darmerkrankungen sowie chronische Nieren- und Leberkrankheiten: Auch hier ist eine zusätzliche Gabe von Vitamin D notwendig, da der Körper bei diesen Krankheitsbildern weniger Vitamin D bildet, was wiederum die Aufnahme von Calcium erschwert.
  • Osteoporose: Lange Zeit galt es als gesichert, dass Vitamin D in Kombination mit Calcium Knochenschwund vorbeugen kann. Mittlerweile gehen die Meinungen dazu auseinander: "Es mehren sich Studien, die zeigen, dass eine Gabe von Vitamin D und Calcium keinen Effekt hat", sagt Schatz. Viele Ärzte verschreiben es ihren Patienten trotzdem weiterhin, da die Risiken bei einer nicht zu hohen Dosierung zu vernachlässigen sind. Auch das RKI schreibt, dass eine ungenügende Versorgung mit Vitamin D negative Folgen für die Knochengesundheit haben kann. Grund dafür ist, dass unser Körper Calcium aus der Nahrung, das für stabile Knochen wichtig ist, ohne Vitamin D nicht optimal aufnehmen kann.

Dass Vitamin D bei Krebs, Diabetes, Depressionen, Rheuma oder Herzkrankheiten helfen kann, ist wissenschaftlich hingegen nicht belegt. "Es handelt sich dabei lediglich um Spekulationen, die auf sogenannten Beobachtungsstudien beruhen. Solche Studien erlauben jedoch keine Rückschlüsse auf Ursache und Wirkung", erklärt Schatz. Umfangreiche Arbeiten wie etwa die VITAL-Studie zeigten keinen Beweis für solche Wirkungen. Im Zuge der Coronavirus-Pandemie erschienen auch Studien, die Vitamin D positive Effekte auf den Krankheitsverlauf bei Covid-19 bescheinigen. "Auch hier handelt es sich um Beobachtungsstudien. Es gibt noch keine wissenschaftlichen Beweise dafür, dass Vitamin D tatsächlich Auswirkungen auf Covid-19 hat", sagt der Experte.

Vitamin D einnehmen: Ja oder nein?

Gesunde Erwachsene, die regelmäßig ins Freie gehen, brauchen kein Vitamin D einzunehmen. Wer fürchtet, unter einem Mangel zu leiden, bespricht dies am besten mit seinem Arzt. Einen Bluttest auf Vitamin D muss man in der Regel selbst zahlen – genau wie die Nahrungsergänzungsmittel, wenn sie medizinisch nicht notwendig sind. Schatz betont, dass zu viel Vitamin D auch schaden kann: "Täglich 850 bis 1000 Internationalen Einheiten (I.E.) sind nicht bedenklich, von sehr hoch dosierten Präparaten mit 5000 oder 10000 I.E. rate ich jedoch dringend ab." Im Extremfall könne hoch dosiertes Vitamin D, das über einen langen Zeitraum eingenommen wird, der Niere schaden und Herzkrankheiten begünstigen.

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