Hohe Zuckerwerte nicht unterschätzen

Kirsten Metternich von Wolff

Kein Tag verläuft gleich, und so ist es auch beim Blutzucker. Professor Dr. Thomas Haak, Diabetologe und Chefarzt der Diabetes Klinik in Bad Mergentheim erklärt, warum Sie hohe Blutzuckerwerte nicht auf die leichte Schulter nehmen sollten.

Junge Frau, misst sich den Blutzucker.
Blutzuckerwerte, die auf Dauer erhöht sind, können Folgeschäden an vielen Organen nach sich ziehen.
© fizkes/iStockphoto

Herr Professor Haak, wie wirken sich hohe Werte auf das Wohlbefinden aus?

Haak: Hohe Blutzuckerwerte sind häufig erstaunlich symptomarm. Oft erst über 300 mg/dl Blut kann es bei manchen Patienten zu Symptomen wie Müdigkeit, Sehstörungen oder verminderter Leistungsfähigkeit kommen. Sind sie nur kurzzeitig erhöht, beispielsweise im Rahmen einer Erkältung, Grippe oder starkem Stress, ist das nicht weiter tragisch. Kritisch wird es, wenn sie durchweg im Bereich von 180 mg/dl und höher liegen. So können im Lauf von acht bis zehn Jahren Folgeschäden an Augen, Nieren, Füßen und dem Herz-Kreislauf-System entstehen. Die Crux bei der Sache ist, dass viele Diabetiker zwar die Symptome einer Unterzuckerung kennen und deuten, allerdings nicht genügend Wissen über hohe Werte haben.

Ab wann besteht ein Notfall?

Haak: Bei Menschen mit Typ-1-Diabetes ist dies der Fall, wenn der Blutzucker akut entgleist und die Werte über mehrere Stunden bei 250 mg/dl oder höher liegen. Bei diesem absoluten Insulinmangel baut der Körper unkontrolliert Fettdepots ab. Es entstehen saure Substanzen, die das Blut übersäuern. Hier sprechen wir von einer Ketoazidose. Bleibt sie bei Menschen mit Typ-1-Diabetes unbehandelt, kann sie bereits nach kurzer Zeit lebensbedrohlich werden. Sind bei Typ-2-Diabetikern die Werte über mehrere Tage aus dem Gleichgewicht, können sie bis auf 600 bis 1000 mg/dl ansteigen. Es entsteht ein hyperosmolares Koma. Das Blut verdickt sich zunehmend und die Betroffenen trocknen extrem aus.

Welche Möglichkeiten gibt es, hohe Werte zu senken?

Haak: Sind sie nur leicht erhöht, hilft oft eine Therapieanpassung. Zum Beispiel mit einer Kombination verschiedener Medikamente. Außerdem trägt, vor allem bei Typ-2-Diabetes, Bewegung deutlich dazu bei, hohe Werte zu senken. Bei Typ-1-Diabetes sollte die Insulindosis angepasst oder Korrekturinsulin gespritzt werden. Hier lassen sich hohe Werte durch Bewegung nicht senken. Im Gegenteil: Der Wert steigt unter Umständen dadurch sogar noch weiter an.

Was hilft, wenn sich Werte partout nicht bessern?

Haak: Wenn sich unter ambulanten Bedingungen die Blutzuckerwerte nicht deutlich verbessern, empfehle ich einen stationären Aufenthalt in einer Diabetesfachklinik oder im Krankenhaus. Dann lässt sich untersuchen, welche Faktoren Ursache der hohen Werte sind. Das können beispielsweise Fehler bei der Einschätzung von Kohlenhydraten und Mengen sein, aber auch Probleme bei der Umsetzung der Therapie oder Stress. Unter ambulanten Bedingungen ist das nur schwer zu erkennen. Ein Klinikaufenthalt ist auch trotz der Coronavirus-Pandemie wichtig und sinnvoll. Denn ein schlecht eingestellter Diabetes ist gerade in Pandemie-Zeiten besonders gefährlich.

Vielen Dank für das Gespräch!

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