Polyneuropathie

Bei einer Polyneuropathie ist die Funktion mehrerer peripherer Nerven (das heißt, Nerven außerhalb des Körperstammes) gestört.

Was ist das? - Definition
Bei einer Polyneuropathie ist die Funktion mehrerer peripherer Nerven (das heißt, Nerven außerhalb des Körperstammes) gestört.

Wie wird es noch genannt? - Andere Bezeichnungen

  • Neuropathien
  • Polyneuritiden

Wie kommt es dazu? - Mögliche Ursache
Unser Nervensystem wird in das zentrale Nervensystem - bestehend aus Gehirn und Rückenmark - und das periphere Nervensystem (alle Nervenbahnen und -zellen, die sich im restlichen Körper befinden) unterteilt. Im zentralen Nervensystem finden die Steuerungsvorgänge der höheren Gehirnfunktionen wie z. B. Gedächtnis und Orientierung statt. Das periphere Nervensystem leitet Informationen aus dem Körper in das zentrale Nervensystem und umgekehrt leitet das periphere Nervensystem Signale aus der "Zentrale" in den gesamten Körper weiter.
Jeder Nerv versorgt je nach seiner Lage und Aufgabe bestimmte Körperregionen. Bei der Polyneuropathie sind mehrere ("poly") Nerven ("neuro") in ihrer Funktion gestört ("pathie"). Das Leiden äußert sich in Störungen der Empfindung (Sensibilitätsstörungen) oder Muskelschwächen in dem jeweiligen Versorgungsgebiet des Nerven.
Einer Polyneuropathie können verschiedene Ursachen zu Grunde liegen:

  • Die in Europa häufigsten Ursachen sind eine langjährig bestehende Zuckerkrankheit und ein chronischer Alkoholmissbrauch.
  • Als mögliche Auslöser kommt aber auch eine Infektion durch einen Zeckenbiss (Borreliose) oder Nervenschäden infolge einer bakteriellen oder viralen Erkrankung in Frage. Man spricht in den Fällen von einer Nervenentzündung oder Neuritis. In tropischen Regionen sind Mangelernährung mit chronischem Vitaminmangel und die Lepra die häufigsten Ursachen einer Nervenschädigung.

Wie macht es sich bemerkbar? - Symptome
Typischerweise sind die langen Nerven, welche Arme und Beine versorgen, erkrankt. Seltener sind die Nerven der inneren Organe betroffen.
Die Beschwerden bei einer Polyneuropathie können sehr unangenehm sein:

  • Am häufigsten werden schmerzhafte Sensibilitätsstörungen besonders im Bereich der Füße, seltener der Hände, beklagt. Die Störungen fühlen sich an wie "Ameisenkribbeln". Nachts kommt es häufig zu Wadenkrämpfen oder stechenden Schmerzen, die sich durch Bewegung bessern.
  • Typisch sind auch ein "strumpf-" oder "handschuhförmiges" Taubheitsgefühl an Füßen oder Händen.
  • Die Betroffenen beschreiben beim Gehen ein Gefühl, als ob sie "auf Watte" laufen würden.
  • Lähmungserscheinungen in den Bein- oder Armmuskeln sind Ausdruck einer bereits ausgeprägten Nervenschädigung.
  • Sind die Nerven der inneren Organe betroffen, kann dies zu Funktionsstörungen führen, z.B. zu Entleerungsstörungen des Magens mit Völlegefühl oder Störungen beim Wasser lassen, wenn die Blase betroffen ist.
  • Bei Schäden von Nerven des Herz-Kreislaufsystems sind Herzrhythmusstörungen oder Blutdruckschwankungen nicht selten.

Wie geht es weiter? - Verlauf und Komplikationen
Die Komplikationen hängen davon ab, welche Nerven erkrankt sind. Zwei eindrückliche und häufige Beispiele dafür:

  • Die sensiblen Nerven (d.h. Nerven, die Empfindungen, wie z.B. "Schmerz" an das Gehirn melden) der Hände und Füße sind betroffen: Die Patienten spüren kleinere Verletzungen nicht mehr. Diese heilen nur schlecht ab und entzünden sich leicht. Schreitet die Nervenschädigung fort, besteht die Gefahr chronischer Schäden mit Muskellähmungen, welche sich nicht mehr bessern lassen.
  • Die Nerven des Herzens sind nicht mehr voll funktionsfähig: Es kann passieren, dass ein Herzinfarkt unbemerkt bleibt, weil man die Schmerzen nicht mehr spürt. Man spricht dann von einem "stummen Infarkt".

Wird die Grunderkrankung behandelt, lässt sich eine Polyneuropathie jedoch auch bessern:

  • Eine verbesserte Blutzuckereinstellung kann bei einer zu Grunde liegenden Zuckerkrankheit die Nervenschädigung mindern.
  • Ähnliches lässt sich erreichen, wenn der Alkoholiker dem Alkohol entsagt.
  • Nervenschäden infolge einer bakteriellen oder viralen Entzündung bilden sich unter entsprechender Therapie zurück.
  • Liegt der Schädigung ein Vitaminmangel zu Grunde (meist Vitamin B), so bessern sich die Beschwerden, wenn man das Vitamin als Medikament verabreicht.

Was kann noch dahinter stecken? - Krankheitsbilder mit ähnlichen Symptomen
Empfindungsstörungen, die von selbst abklingen und nach einiger Zeit wieder auftreten, können Anzeichen einer Multiplen Sklerose sein.

Was rät die Großmutter? - Hausmittel und Verhaltenstipps
Um Schäden an den Extremitäten zu vermeiden, sind bei einer Polyneuropathie einige Regeln zu beachten:

  • Die Füße müssen täglich auf kleinere Verletzungen untersucht werden. Um Verletzungen vorzubeugen, sollte man nicht barfuß laufen und nur bequeme Schuhe tragen.
  • Ganz wichtig ist die richtige Fußpflege mit Instrumenten, welche die Haut nicht verletzen. Im Zweifel sollte man zur Fußpflege gehen.
  • Bei Verletzungen an Händen und Füßen muss rechtzeitig ein Arzt aufgesucht werden um die Wunden fachlich versorgen zu lassen. Nur so lassen sich Folgeschäden vermeiden.

Achtung: Alkohol wirkt einer Behandlung entgegen und verschlechtert allgemein das Krankheitsbild, egal welche Ursache hinter der Erkrankung steckt. Deshalb sollte auf Alkohol weitestgehend verzichtet werden, sowohl während einer medikamentösen Behandlung, als auch in behandlungsfreien Zeiten.

Bearbeitungsstand: 27.07.2012

Quellenangaben:
Brunkhorst, Schölmerich, Differenzialdiagnostik und Differenzialtherapie, Elsevier (Urban & Fischer), (2010), 1. Auflage - Gehlen, Delank, Neurologie, (2010), 12. Auflage - S. Andreae et al., Gesundheits- und Krankheitslehre für die Altenpflege, Thieme, (2011), 3. Aufl.

Die Information liefert nur eine kurze Beschreibung des Krankheitsbildes, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Sie sollte keinesfalls eine Grundlage sein, um selbst ein Krankheitsbild zu erkennen oder zu behandeln. Sollten bei Ihnen die beschriebenen Beschwerden auftreten, wenden Sie sich an Ihren Arzt oder Apotheker.

Polyneuropathie: Behandlung

Eine Neuropathie geht mit Schmerzen einher, die nicht durch Entzündungen, Verletzungen oder äußere Reize entstehen, sondern durch geschädigte oder zerstörte Nervenfasern. Sind dabei zahlreiche Nerven beteiligt, spricht man von Polyneuropathie. Polyneuropathie ist meistens Folge einer anderen Erkrankung. Als Ursachen kommen zum Beispiel fortgeschrittener Diabetes oder chronischer Alkoholmissbrauch infrage. Daher steht bei Polyneuropathie eine konsequente Behandlung der Grunderkrankung im Vordergrund.

Die Kenntnis der Ursache der Nervenkrankheit ist darüber hinaus elementar wichtig, um eine wirksame Behandlung einleiten zu können. Liegt der Polyneuropathie beispielsweise eine Infektion mit Bakterien zugrunde, lässt sie sich durch entsprechende Antibiotika gut behandeln. Bei einer toxischen Polyneuropathie gilt es, den Kontakt mit auslösenden Stoffen (z.B. Alkohol) zu unterbinden. Wichtigste Maßnahme bei einer diabetischen Polyneuropathie ist es, den Blutzucker langfristig gut einzustellen, um zu verhindern, dass Nervenschäden entstehen bzw. fortschreiten.

Schmerzen lindern durch Medikamente

Bei allen Formen der Polyneuropathie kommt die symptomatische Behandlung in Form einer medikamentösen Schmerztherapie unterstützend zum Einsatz. Herkömmliche Schmerzmittel wie zum Beispiel <link https: www.aponet.de wissen arzneimitteldatenbank suchergebnis>Acetylsalicylsäure (ASS) können bei gelegentlich auftretenden Beschwerden der Nervenkrankheit helfen. Darüber hinaus stehen weitere Medikamente wie zum Beispiel Mittel gegen Depressionen (Antidepressiva) oder Medikamente, die eigentlich gegen Krampfanfälle entwickelt wurden (Antikonvulsiva), zur Verfügung.

Antidepressiva (z.B. <link https: www.aponet.de wissen arzneimitteldatenbank suchergebnis amitriptylin.html>Amitriptylin) wirken zwar nicht gegen den Schmerz, machen ihn aber erträglicher, indem sie die Weiterleitung von Schmerzsignalen im Rückenmark unterdrücken. Somit können Antidepressiva auch bei Polyneuropathie helfen. Die Dosis der Medikamente wird langsam gesteigert bis die gewünschte Wirkung eintritt. Durch dieses „Einschleichen“ soll das Risiko möglicher Nebenwirkungen wie Blutdruckabfall, Herzrhythmusstörungen oder Probleme beim Wasserlassen möglichst gering gehalten werden.

Antikonvulsiva (z.B. <link https: www.aponet.de wissen arzneimitteldatenbank suchergebnis gabapentin.html>Gabapentin, <link https: www.aponet.de wissen arzneimitteldatenbank suchergebnis pregabalin.html>Pregabalin, <link https: www.aponet.de wissen arzneimitteldatenbank suchergebnis carbamazepin.html>Carbamazepin) dämpfen die Erregbarkeit der Nervenzellen. In erster Linie werden sie zur Behandlung von Epilepsie eingesetzt. Aber auch zur Schmerzbehandlung sind sie wirksam. Antikonvulsiva werden ebenfalls einschleichend dosiert, um Nebenwirkungen wie Müdigkeit und Schwindel zu vermeiden.

Als weitere Möglichkeit zur Schmerzbekämpfung stehen stark wirksame Schmerzmittel (Opioide) zur Verfügung. Hier besteht allerdings die Gefahr, dass die Wirkung mit der Zeit nachlässt und so die Dosis stetig erhöht werden muss. Auch eine psychische Gewöhnung ist möglich, wodurch eine strenge Kontrolle durch den Arzt erforderlich ist. Opioide sollten nur eingenommen werden, wenn andere Medikamente keine schmerzlindernde Wirkung mehr zeigen.

Physikalische Therapie gegen sensible und motorische Störungen

Eine weitere Behandlungsmöglichkeit der Polyneuropathie besteht in der physikalischen Therapie. Diese Form der Behandlung hilft vorrangig gegen die sensiblen und motorischen Störungen. Ziel dabei ist es, die Durchblutung zu verbessern, geschwächte Muskeln zu stärken und die Beweglichkeit möglichst lange aufrechtzuerhalten. Gängige Verfahren sind zum Beispiel

  • Krankengymnastik
  • Wechsel- und Bewegungsbäder
  • Elektrobehandlung gelähmter Muskeln
  • warme und kalte Wickel
  • Behandlung mit Gleichstrom (galvanische Methoden)

Quellen:

• Online-Informationen des Berufsverbands Deutscher Neurologen e.V. : www.neurologen-und-psychiater-im-netz.de (Abrufdatum: 23.7.2017)

• Online-Informationen des Deutschen Krebsforschungszentrums: www.krebsinformationsdienst.de (Stand: 8.8.2015)

© aponet.de

Letzte Aktualisierung: Juli 2017

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