Viele kennen das: Im Urlaub will man eine schöne Zeit zusammen verbringen, doch stattdessen herrscht schon am ersten Tag dicke Luft. Warum das so ist und wieso Streit nicht immer schlecht sein muss, erklärt Diplom-Psychologin und Coach Nathalie Krahé aus Frankfurt am Main im Interview.
Dipl.-Psychologin Nathalie Krahé: "Ein Aspekt ist sicher die Nähe zueinander: Im Urlaub verbringen wir plötzlich viel mehr Zeit miteinander als sonst. Die Struktur und die Routinen des Alltags fallen weg. Das ist nicht nur ungewohnt, sondern kann manchmal auch dazu führen, dass uns Dinge auffallen, die uns stören und die sonst im alltäglichen Trubel untergehen. Hier kann der Urlaub auch eine sehr gute Chance für eine Aussprache bieten. Das muss nicht unbedingt negativ sein."
Krahé: "Ja, unbedingt. Denn gerade im Alltag ist häufig schlicht kein Platz, um Probleme zu besprechen, die einem vielleicht schon länger auf der Seele brennen. Ich empfehle, solche Dinge dann anzusprechen, wenn man gerade selbst nicht emotional geladen ist und Ruhe hat – und da ist der Urlaub nicht gerade die schlechteste Gelegenheit."
Krahé: "Dazu gehört natürlich eine gute Streitkultur, also in erster Linie ein respektvoller Umgang miteinander. Trotzdem streitet jedes Paar und jede Familie anders: Bei einigen gehört es dazu, dass auch mal verbal die Fetzen fliegen und es laut wird. Dann ist der Streit ein ‚reinigendes Donnerwetter‘. Wenn sich die Gemüter abgekühlt haben, geht man wieder aufeinander zu und versöhnt sich. Für einige funktioniert das gut, und das ist auch in Ordnung. Bei anderen Menschen löst lautes Streiten aber enormen Stress und Ängste aus, weil sie vielleicht in der Vergangenheit negative Erfahrungen damit gemacht haben. Hier gilt ist, die persönliche Schmerzgrenze zu kennen und auch offen zu kommunizieren, damit der Partner Rücksicht nehmen kann. Eine Möglichkeit ist, ein ‚Stoppsignal‘ zu vereinbaren, zum Beispiel ein Wort oder eine Geste, um den Streit erst einmal zu pausieren, wenn es zu laut oder zu emotional wird."
Krahé: "Das stimmt. Unterschiedliche Erwartungen können natürlich auch zu Konflikten führen: Möchte ich ans Meer, in eine Großstadt oder in die Berge? Lieber entspannen oder aktiv sein? In den Flieger steigen oder mit dem Auto fahren? In einer abgeschiedenen Ferienhütte oder in einem Club-Hotel übernachten? Hier hat jeder seine eigenen Bedürfnisse, und nur selten stimmen diese hundertprozentig mit denen des Partners oder der Kinder überein."
Krahé: "Wichtig ist, schon bei der Planung des Urlaubs über die Frage zu sprechen: Wie sieht für mich ein gelungener Urlaub aus? Dabei dürfen in Familien auch die Kinder zu Wort. Dann gilt es, gemeinsam zu überlegen, wie man die unterschiedlichen Bedürfnisse in Einklang bringen kann. Es ist auch völlig in Ordnung, als Paar im Urlaub einige Stunden oder vielleicht sogar Tage getrennt voneinander zu verbringen. So kann der eine in der Hängematte liegen und ein Buch lesen und der andere in der Stadt auf Entdeckungstour gehen."
Krahé: "Unbedingt! Wenn sich partout kein Kompromiss finden lässt und die Bedürfnisse sehr weit auseinander gehen, würde ich das sogar empfehlen. Daran scheitert keine Beziehung – sondern viel eher daran, dass man sich ständig für den anderen verbiegt. Hier lohnt es sich, das Bild zu hinterfragen, das man von einem perfekten Urlaub hat: Man muss nicht zwei Wochen am Stück jede Minute miteinander verbringen. Dinge getrennt voneinander zu erleben, bedeutet nicht automatisch, dass die Partnerschaft unglücklich oder gar zum Scheitern verurteilt ist – im Gegenteil. Sich gegenseitig solche Freiheiten zuzugestehen, kann für die Beziehung sehr wohltuend sein."
Krahé: "Der ‚ganz normale Wahnsinn‘ führt in der Tat schnell dazu, dass von der Urlaubsentspannung schon nach kurzer Zeit nicht mehr viel übrig ist. Ich rate deswegen dazu, den Urlaub auch dafür zu nutzen, den Alltag einmal gemeinsam zu reflektieren: Wollen wir genauso weitermachen, wie bisher? Oder gibt es kleine oder größere Dinge, die wir ändern können? Gerade im Urlaub kommt man hier oft auf gute Ideen: zum Beispiel eine Putzhilfe zu engagieren, sich regelmäßig zu einem gemeinsamen Pasta-Abend zu verabreden oder jeden Morgen früher aufzustehen, um Zeit für Yoga oder eine Jogging-Runde zu haben. Dazu kann man auch einfach ein kleines Experiment machen und sich vorstellen, man hätte gerade Urlaub: Was würde ich dann anders machen? Und dann kann man überlegen, an welchen Stellen im Alltag auch mal das ‚Urlaubs-Ich‘ die Regie übernehmen darf."
Vielen Dank für das Gespräch!
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