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Trend aus Japan: Im Wald baden

Natascha Koch  |  10.04.2021

Ein Spaziergang im Wald tut Körper und Seele gut. Was wir intuitiv spüren, haben Wissenschaftler schon vor vielen Jahren in Studien untersucht. Ein "Bad in der Waldluft" lindert Stress, senkt den Blutdruck und wirkt sich positiv auf die Atemwege aus. In Japan gilt das Waldbaden schon lange als eine anerkannte Präventionstherapie. In Deutschland gibt es ähnliche Bestrebungen.

Junge Frau, steht im Wald, mit dem Rücken zur Kamera.
Beim Waldbaden geht es darum, mit allen Sinnen in die Umgebung einzutauchen.
© lolostock/iStockphoto

Feine, warme Sonnenstrahlen zwängen sich durch die dichten Baumwipfel. Äste und trockenes Laub rascheln unter den Füßen, und in der Nähe hört man das stakkatoartige Trommeln eines Spechtes. In der Luft liegt ein würziger Duft nach Holz und Tannennadeln, es riecht nach Sommer. Langsam gehe ich durch den Wald und versuche, meine Umgebung mit allen Sinnen wahrzunehmen. "Beim Waldbaden verfolgen wir kein bestimmtes Ziel, es geht einfach um das Sein im Hier und Jetzt." Das erklärt Jasmin Schlimm-Thierjung, Gründerin der Deutschen Akademie für Waldbaden und Gesundheit aus Landau in der Pfalz beim aufmerksamen Ausflug in den Wald. Das Stichwort lautet: Achtsamkeit.

Wer hat‘s erfunden?

Die gesundheitsfördernde Wirkung des Waldes untersuchen Wissenschaftler bereits seit vielen Jahren. Schon im Jahr 1980 zeigte der schwedische Arzt Roger Ulrich, dass allein der regelmäßige Blick aus einem Krankenhausfenster auf einen grünen Wald dafür sorgt, dass sich Patienten schneller gesund fühlen. Das Konzept des Waldbadens kommt ursprünglich aus Japan. Mit staatlicher Unterstützung haben Wissenschaftler dort vor knapp 40 Jahren begonnen, die heilende Wirkung zu erforschen. Zu den Vorreitern auf dem Gebiet des sogenannten "Shinrin Yoku" (deutsch: Baden in der Waldluft) zählt Dr. Qing Li, der bereits zahlreiche Studien zu diesem Thema veröffentlicht hat. Er zeigt sich überzeugt: Ein achtsames Erleben des Waldes reduziert Stress und Ängste, fördert die Schlafqualität, senkt den Blutdruck und die Pulsfrequenz. Zudem stärkt dies das Immunsystem und kann sogar chronischen Krankheiten vorbeugen. In Japan zählt das Shinrin Yoku zu den medizinisch anerkannten Verfahren zur Prävention und begleitenden Behandlung vieler Krankheiten. Im ganzen Land gibt es zahlreiche "Heilwälder" mit angeschlossenen Therapiezentren und Kliniken. Viele Universitäten bieten angehenden Medizinern den Forschungszweig "Waldmedizin" an.

Doch was unterscheidet nun ein Waldbad von einem herkömmlichen Spaziergang? Das wollte ich im Landauer Stadtwald ausprobiert. Die Übungen, die mir Waldbaden-Expertin Schlimm-Thierjung zeigt, orientieren sich an den "zehn Zutaten" für ein gelungenes Waldbad von Dr. Qing Li.

1. Schlendern

Beim Waldbaden bewegt man sich nur langsam voran, um die Natur ganz bewusst zu genießen. Ich setze also ganz behutsam einen Fuß vor den anderen, was mir anfangs gar nicht so leicht fällt."»Ich nenne es gerne ›absichtslos schlendern‹", sagt Schlimm-Thierjung. Dafür empfiehlt sie, sich ausreichend Zeit zu nehmen, am besten mindestens zwei Stunden. Währenddessen keine große Strecken zurückgelegen: Jeder darf in seinem Tempo gehen, ein Waldbad eignet sich daher auch gut für ältere oder bewegungseingeschränkte Personen. "Wer nicht gehen kann oder möchte, kann sich auch einen schönen Platz suchen und
dort einfach nur sitzen, lauschen und staunen", sagt die Natur- und Entspannungspädagogin.

2. Rasten

Ein Waldbad tut vor allem eines: entschleunigen. Dazu gehört es auch, beim Gehen immer wieder Pausen einzulegen, um noch tiefer in die Umgebung einzutauchen. Wer möchte, kann sich dabei eine Kleinigkeit zu
essen oder zu trinken mitnehmen. Auch hier lässt sich etwas von den Erfindern abschauen: Beim Waldbaden in Japan gehört häufig auch eine traditionelle Teezeremonie dazu, die sogar mehrere Stunden dauert.

3. Die Sinne weit öffnen

Hören, sehen, fühlen, schmecken, riechen: Der Wald lässt sich mit all unseren Sinnen erfahren. Wichtig, sich darauf einzulassen und die "Forscherbrille" aufzusetzen: "Wir können uns zum Beispiel vorstellen, wir wären zum allerersten Mal im Wald und würden unsere Umgebung ganz genau inspizieren", sagt Schlimm-Thierjung. Ich suche mir dafür ein Plätzchen in der Sonne und schließe die Augen. Dabei merke ich, wie sich ganz automatisch die anderen Sinne schärfen: Die Wärme der Sonne in meinem Gesicht und den Duft des Waldes nehme ich jetzt viel bewusster wahr als mit geöffneten Augen.

4. Staunen

Diese Übung schließt in gewisser Hinsicht an die vorherige an. Alles, was wir durch unsere fünf Sinne erfahren, kann uns in Staunen versetzen: die Textur einer Wurzel, der Duft der Tannennadeln oder Plätschern eines Bachlaufs. Dabei dürfen wir uns auch Hilfsmitteln bedienen: zum Beispiel ein leerer Bilderrahmen, ein Diarahmen oder auch eine Lupe, die wir mit in den Wald nehmen und hindurchsehen. Was fällt uns nun auf, was wir vorher nie beachtet haben?

5. Achtsamkeit

Am Thema Achtsamkeit kam in den vergangenen Jahren kaum jemand vorbei. Es handelt sich um eine besondere Form der Aufmerksamkeit: "Wir konzentrieren uns ganz auf den gegenwärtigen Augenblick und nehmen die Dinge um uns herum wahr, ohne sie sofort zu bewerten", erklärt Schlimm-Thierjung. Sie empfiehlt mir dafür, meinen Fokus auf eine ganz bestimmte Sache zu richten. Ich wähle das Zwitschern der Vögel. Dann gilt es, sich davon nicht ablenken zu lassen. Das fällt gar nicht so leicht: Ich merke schnell, wie meine Gedanken wieder zu anderen Dingen abschweifen. Ziel ist es dann, dies wahrzunehmen und die Konzentration bewusst wieder zurück auf das Vogelzwitschern zu lenken.

6. Meditation

Meditieren soll entspannter, gelassener, leistungsfähiger und glücklicher machen. Dafür muss man kein tibetischer Mönch sein und stundenlang in einer unbequemen Position verharren. Vielmehr geht es darum, die Gedanken zur Ruhe zu bringen und den Geist zu fokussieren. Eine einfache Übung, die sich auch für Anfänger eignet: der Body-Scan. Diese Meditation lässt sich im Stehen, im Sitzen und sogar im Liegen praktizieren. Wer möchte, darf die Augen dafür schließen. Jetzt geht es darum, nacheinander bewusst in jedes Körperteil hineinzuspüren. Nach und nach reist man dabei von den Füßen bis hin zur Krone des Kopfes.

7. Atmen

Es gibt verschiedene Atemübungen, die dafür sorgen, unser Nervensystem zu beruhigen und uns zu entspannen. Ein Beispiel dafür: die 4-7-8-Atmung: Während man einatmet, zählt man bis vier, dann hält man den Atem an und zählt bis sieben, um dann langsam, bis acht zählend, wieder auszuatmen. Nach vier Durchläufen merke ich, dass ich mich viel ruhiger und entspannter fühle. "Den Atem dabei bewusst wahrzunehmen, ist übrigens auch eine Form der Meditation", ergänzt Schlimm-Thierjung.

8. Sanfte Bewegungen

Dabei gilt es, den Körper bewusst zu spüren. Dafür eignen sich Übungen aus dem Qigong, wie "Das Herz öffnen". Dafür die Füße etwa schulterbreit öffnen und die Knie leicht beugen. Einatmend die Arme seitlich bis zur Schulterhöhe anheben. Ausatmend die Hände übereinander auf den Brustkorb in Höhe des Herzens legen. Einatmend die Hände wieder seitlich ausbreiten. Die Übung am besten mindestens acht Mal wiederholen.

9. Augenentspannung

"Eine Übung zum bewussten Entspannen der Augen ist zum Beispiel das Palmieren", erklärt Schlimm-Thierjung. "Dabei werden die Handinnenflächen gegeneinander gerieben, bis die Hände warm sind.  Anschließend die Hände leicht gewölbt über die geschlossenen Augen legen, ohne dass dabei die Handflächen die Augenlider berühren. Die Übung kann ein bis zwei Minuten gehalten werden."

10. Solozeit

Wer zu zweit oder in einer Gruppe im Wald badet, darf sich auch eine ganz bewusste Auszeit nehmen und den Wald ganz für sich erkunden.

Ein Waldbad muss jedoch nicht zwingend aus all diesen Dingen bestehen: "Jeder kann sich die Übungen heraussuchen, die ihm zusagen, und sich sein eigenes Waldbad zusammenstellen", sagt Schlimm-Thierjung.
Mein erstes Waldbad hat mir vor allem gezeigt, wie gut es tut, sich in der beruhigenden grünen Umgebung voll und ganz auf den gegenwärtigen Augenblick zu konzentrieren. Sorgen, Stress oder Hektik rücken
dabei ganz automatisch in den Hintergrund – zumindest für eine Weile.

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