Gelenke: Vor OP zählt Zweitmeinung

Orthopäden raten häufig zu einer Operation. Wer auf Nummer sicher gehen will, holt sich die Meinung eines zweiten Arztes ein.

Eine Zweitmeinung kann uns vor einer unnötigen Operation bewahren.
Wenn Zweifel an der vorgeschlagenen Therapie bestehen, können Patienten einen anderen Arzt aufsuchen, um sich eine zweite Meinung einzuholen.
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Was genau versteht man unter einer Zweitmeinung?

Pässler: Man versteht darunter die ausführliche, erneute
Beurteilung und Stellungnahme zu einem medizinischen Fall. Die Zweitmeinung vor einem vom Arzt empfohlenen operativen Eingriff bietet dem Patienten eine Entscheidungshilfe, ob der Eingriff tatsächlich notwendig ist oder ob alternative Therapien beziehungsweise ein anderer Eingriff ebenso gut helfen können.

Warum hat die Zweitmeinung in der Orthopädie solch einen hohen Stellenwert?

Pässler: Operative Eingriffe an den Gelenken und der Wirbelsäule haben in den letzten Jahren besonders stark zugenommen. Die Zahlen liegen teilweise mehr als doppelt so hoch wie in unseren europäischen Nachbarländern. Studien zum Anstieg der Operationszahlen von der Weltgesundheitsorganisation und dem Bundesministerium für Gesundheit haben diesen Anstieg bestätigt und stimmen darin überein, dass er nicht allein auf die steigende Zahl älterer Menschen oder auf technologische Faktoren zurückzuführen ist. Ganz extrem sieht man das beim Vergleich von Regionen. So werden in Deutschlands reichen Kreisen, wie zum Beispiel Traunstein, bis zu 35-mal mehr Arthroskopien jährlich durchgeführt – 832 pro 100 000 Einwohner – als in ärmeren Kreisen, wie zum Beispiel Priegnitz. Dort verzeichnen wir nur 24 Eingriffe pro 100 000 Einwohner. Vermehrt wird von unnötigen Eingriffen und ökonomischen Fehlanreizen als Faktoren gesprochen. Das zeigt auch eine Studie, die belegt, dass arthroskopische Operationen an den Menisken und am Knorpel zumindest im mittleren und höheren Alter völlig unnötig sind, jedoch durchaus ernsthafte Komplikationen verursachen können.

Was zeichnet den Zweitmeinungsarzt aus? Wie findet man ihn und welche Unterlagen des Patienten benötigt er?

Pässler: Zunächst einmal sollte der Zweitmeinungsarzt ein ausgewiesener Experte sein und unabhängig beurteilen können. Das heißt unter anderem, er darf die von ihm vorgeschlagene Behandlung nicht selbst ausführen. Verschiedene Internetportale bieten Experten für eine zweite Meinung. Einige Kassen verweisen die Patienten auch zu Vertragsärzten der Kassen und Versicherungen vor Ort.

Für eine ausführliche und aussagekräftige Zweitmeinung braucht der Experte die Vorbefunde, die Bildgebung, falls vorhanden, sowie einen ausführlichen
Ist-Zustand. Dem Patienten stehen alle Unterlagen zu, die der behandelnde
Arzt von ihm hat. Er lässt sie sich aushändigen, nimmt sie zum von der Krankenkasse vorgeschlagenen Experten vor Ort mit oder schickt sie per Post oder via sicherem Upload auf einem darauf spezialisierten Portal an den Experten für die Zweitmeinung. Vor Einholen einer Zweitmeinung sollte man bei der Krankenkasse erfragen, ob die Kosten übernommen werden. Das ist nicht immer der Fall.

Muss ein Patient damit rechnen, dass der Arzt, bei dem er normalerweise ist, sauer oder beleidigt reagiert, wenn der Patient eine Zweitmeinung wünscht?

Pässler: Das war früher vielleicht einmal so. Heute hat die Zweitmeinung einen hohen Stellenwert. Unter anderem in der Krebstherapie ist das Vier-Augen-Prinzip längst Routine geworden.

Wie sehen die Therapieerfolge aus, wenn Patienten der Zweitmeinung folgen?

Pässler:: Die Techniker Krankenkasse hat kürzlich wieder festgestellt, dass bis zu 83 Prozent der Operationen am Rücken ihrer Versicherten unnötig waren. Die Deutschen Betriebskrankenkassen haben Anfang des Jahres ihre Erfahrungen publiziert. Danach wurden durch die Zweitmeinungen eines Zweitmeinungs-Internetportals mehr als 60 Prozent der Operationen nachhaltig, das heißt bis zu zweieinhalb Jahre nach Therapiebeginn, verhindert.

Zusätzlich zeigte sich, dass Patienten, die eine konservative Therapieempfehlung erhalten hatten und sich langfristig an die Therapieempfehlung hielten, im Schnitt 18 Tage schneller wieder gesund wurden als diejenigen, die operiert wurden.

Vielen Dank für das Gespräch.

Die Fragen stellte Apothekerin Isabel Weinert.

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