Ritzen: Wieso verletzt sich mein Kind selbst?

Wenn sich Jugendliche selbst verletzen, sind viele Eltern ratlos. Was helfen kann, erklärt eine Psychotherapeutin.

Selbstverletzendes Verhalten deutet nur selten auf eine ernste psychische Störung hin.
Jugendliche, die sich selbst verletzen, suchen oft nach einem Ventil, um ihre Gefühle zu regulieren.
© fizkes/iStockphoto

Ein Schnitt in den Arm, und schon lässt die Aufregung oder der Frust nach. "Kinder, die sich ritzen, wollen dadurch oftmals ihre Emotionen regulieren", erklärt Leinberger, Vorsitzende des Berufsverbands der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten. "Schmerz empfinden sie dabei nicht unbedingt. Es geht darum, dass der Körper entlastende Botenstoffe freisetzt." Und das Problem tritt gar nicht so selten auf, weiß Leinberger: "25 bis 30 Prozent der Jugendlichen in Deutschland ritzen sich. Vor allem Mädchen ab einem Alter von elf Jahren tun es, während die Jungen überbordende Gefühle in der Pubertät zum Teil auch mit Alkohol oder Drogen zu betäuben versuchen."«

Die Gründe sind vielfältig. Eine Ursache kann laut Leinberger der allgemeine Eindruck von Unsicherheit sein, zum Beispiel, weil die Eltern ständig streiten, sich scheiden lassen oder arbeitslos sind. Aber auch der Leistungsdruck durch die Schule, gepaart mit möglichen Mobbing-Erfahrungen oder der Angst, im Leben zu scheitern, werden häufig durch das Ritzen ausgeglichen.

Psychische Erkrankung eher selten die Ursache

"Es geschieht meist spontan und bevorzugt heimlich", erklärt die Therapeutin. Sie beruhigt die Eltern: In der Regel gebe es keine Selbstmordabsichten, und eher selten stecke eine psychische Krankheit wie die Borderline-Persönlichkeitsstörung dahinter. Viele Kinder und Jugendliche fänden das Ritzen vor allem interessant, weil sie es bei Freunden beobachtet haben und selbst ausprobieren wollen. "Dann lassen sie es oft schnell wieder", meint Leinberger.

Werden die Schnitte allerdings immer wieder und obendrein richtig tief in die Haut gesetzt, sind intensive Gespräche in vielen Fällen der Schlüssel zur Lösung. "Jugendliche trauen sich oft gar nicht, ihre Probleme mit den Eltern zu diskutieren. Dann sind sie erleichtert, wenn Mutter oder Vater von sich aus auf sie zukommen und dabei ruhig bleiben." Sollten Eltern ihr Kind nicht mit Gesprächsangeboten erreichen, kann vielleicht die beste Freundin oder der Freund des Kindes helfen.

Verhaltenstherapie für bessere Konfliktlösungen

Der nächste Schritt führt aus Sicht der Expertin dann in die Praxis eines Psychotherapeuten für Kinder oder Jugendliche. Ein verhaltenstherapeutischer Ansatz ist ein möglicher Weg, um Konflikte zu lösen und dafür zu sorgen, dass dafür künftig nicht mehr die Haut herhalten muss. Denn wer sich ständig selbst verletzt, kann später darunter leiden, dass er sich in seinem von Narben übersäten Körper nicht mehr wohlfühlt. Das führt dann unter Umständen zu den nächsten psychischen Schwierigkeiten. Deshalb gilt laut Leinberger: dranbleiben und Kindern früh dabei helfen, negative Gefühle zu überwinden. Oder diese zu bekämpfen, indem sie ganz harmlos Eiswürfel auf der Haut tauen lassen.

Natascha Plankermann

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