Schulung - der beste Weg zur Selbsthilfe

Eine Schulung steht jedem Diabetiker zu. Was Sie dabei lernen und wie Sie abläuft, zeigt diese Reportage.

Eine Diabetes-Schulung steht jedem zu.
© Isabel Weinert

Müller hat den Bogen raus, stelle ich bereits kurz nach Beginn der heutigen Schulungseinheit fest. Da wird etwa der Schweinehund vorgestellt, den sie als Ausbilderin für Diabetesberaterinnen gemeinsam mit diesen konzipiert hat – vorne Schwein und hinten Hund. Ein Stofftier fürs Gemüt, dessen Aussehen das Gefühl einiger Teilnehmer widerspiegelt, wenn es um die tägliche Bewegung geht. Auf Müllers Arm wird der Schweinehund ganz zahm.

Auf jeden einzeln eingehen

Im weiteren Verlauf wird deutlich: Müller macht vor, was Diabetes-Fachgesellschaften fordern, eine individualisierte Therapie. Die Diabetiker hier haben zwar alle das gleiche Problem – nur Tabletten reichen nicht mehr, sie brauchen wegen schlechterer Werte zusätzlich Insulin –, aber der richtige Weg zurück zu einer guten Stoffwechseleinstellung sieht für jeden anders aus. Da gibt es den älteren, schlanken Herren, der schon vor der Schulung Insulin spritzte, aber eine Neueinstellung braucht, weil seine Insuline nicht mehr zu ihm passen. Oder die lebhafte Teilnehmerin mittleren Alters, die wegen einer anderen Erkrankung auch Kortison braucht, was den Blutzucker erheblich verschlechtert, und nun erstmals Insulin spritzt. Da ist der eher korpulente Mann, der bereits einmal erfolgreich 50 Kilogramm abgenommen hat, die jedoch nach zwei Jahren wiederkehrten und den Diabetes verschlechterten, und die ältere Dame, die einen Herzinfarkt hinter sich hat.

Rasche Erfolge

Bei allen läuft die neue Therapie erst kurz, aber sie läuft. Erheblich bessere Werte, frohe Gesichter ob der guten Ergebnisse. Schwierigkeiten kommen vor, so etwa das vorübergehend schlechtere Sehvermögen, das auftreten kann, wenn hohe Zuckerwerte gesenkt werden. "Das ist eigentlich normal und kann bis zu sechs Wochen andauern", erklärt Müller. Sicherheitshalber
rät sie ihren Patienten aber auch zu einem Besuch beim Augenarzt.

Manch einer verträgt ein neues Medikament nicht. Vor allem Magen-Darm-Beschwerden werden genannt. "Das gibt sich meist im Laufe der Zeit", so die Diabetesexpertin. Weitere Themen: hohe Werte am Morgen, der richtige Einnahmezeitpunkt für das Diabetesmittel Metformin – die Abenddosis am besten erst kurz vor dem Schlafengehen –, das leidige Abnehmen und welche Rolle Insulin dabei spielt. Am Ende hat jeder Diabetiker einen neuen "Liebesbrief" von Müller, also einen Anpassungsplan, der vorgibt, wie viel Insulin gespritzt werden soll.

So einfach wie möglich

Müllers Credo: "Eine Diabetestherapie soll so einfach wie möglich sein, dann machen die Leute auch gut mit." Klare Regeln helfen dabei genauso wie moderne Arzneistoffe, die nur einmal pro Woche gespritzt werden müssen, Analoginsuline, die besonders schnell und kurz oder besonders lange wirken. Müllers Vorhersage: Die Mehrheit der Schulungsteilnehmer wird bald wieder ohne Insulin auskommen.

Die Feinde kennen

Nachdem jeder Fall besprochen und die zahlreichen Fragen geklärt sind, widmet sich Müller dem Schulungsteil "Ernährung". Als "Dinosaurierin der Diabetesberatung", wie sie sich selbst bezeichnet, kennt sie sich auch mit diesem Thema bestens aus. Die Feinde der Diabetiker kommen auf den Tisch: weißes Mehl, weißer Zucker und weißes Fett. "Es dürfte eigentlich nur in der Apotheke Zucker geben, oder er müsste ganz teuer sein, weil der weiße Zucker so gefährlich ist«, sagt sie. "Zucker, Weißmehl und Fett sind alle drei billig und kommen deshalb in die ganzen Fertigprodukte. Deshalb müssen wir versuchen, das zu meiden, und dürfen auch kein Brot essen, das eingefärbt ist mit Zuckerrübensirup, Karamellsirup oder Malzextrakt."

Genau nachlesen

Die "Schüler" dieser Runde haben Lebensmittel mitgebracht, die sie jetzt gemeinsam mit Müller auf ihren Gesundheitswert prüfen. Etiketten werden gelesen, von Tofu, Müsli, Fruchtjoghurt, verschiedenen Broten, Wurst und Bioaufstrich. Ergebnis: öfter mal Etikettenschwindel. "Da haben wir sogar ein Prozent Leinsamen und ein Prozent Kürbiskerne", sagt Müller, als sie das
Etikett eines angeblichen Vollkornmüslis liest. "Da sind der Kürbis und der Leinsamen mal kurz durchgeschwommen", stellt sie fest, hat die Lacher auf ihrer Seite und das Wissen auf diese Weise wahrscheinlich in alle Köpfe gebracht.

Noch ein paar Lebensmittel, und die Schulungszeit ist für diesen Tag vorbei. Jede Wette, dass die "Schüler" von Frau Müller den Unterricht nie schwänzen werden, denke ich, als ich sehe, wie alle zusammen im Austausch miteinander den Raum verlassen.

Apothekerin Isabel Weinert

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