Ungesunde Ängste überwinden

Nicht nur in Zeiten von Corona ist der Alltag vieler Menschen von Angst geprägt. Was dagegen hilft, erklärt eine Psychotherapeutin.

Wenn Angst den Alltag bestimmt, ist es Zeit, einen Therapeuten aufzusuchen.
Ein gewisses Maß an Angst ist normal. Nimmt es jedoch Überhand und bestimmt den Alltag, ist Handeln wichtig.
© iStock.com/tommaso79

Angst an sich ist nichts Schlechtes. Sie schärft die Wachsamkeit in Gefahrensituationen und ermöglicht uns, schnell und wirkungsvoll zu reagieren. "Die Herzfrequenz steigt, die Atmung wird intensiviert. Dadurch sind wir in der Lage, schnell flüchten oder im Zweifel auch kämpfen zu können, falls wirklich eine Gefahr droht", erklärt Thünker, Vorsitzende des Verbands Psychologischer Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten im BDP.

Krankhaft entwickeln sich Ängste, falls sie stark übersteigert sind und sich negativ auf den Alltag auswirken. Thünker: "Wenn man sich ein bisschen vor einer Spinne gruselt, stellt das noch keine Erkrankung dar. Fürchtet man sich aber so stark vor Spinnen, dass man zum Beispiel bestimmte Räume in der Wohnung nicht mehr betreten kann, handelt es sich um eine Phobie."

Von Spinnen-Phobie bis Panikstörung

Im Hinblick auf das bereits erwähnte Spinnen-Beispiel sprechen Fachleute von einer Phobie, also einer Angststörung, die sich auf ein konkretes Phänomen bezieht. Ähnlich verhält es sich mit der Angst vor Höhe, vor Fahrstuhlfahren oder davor, sich in der Öffentlichkeit übergeben zu müssen. Ein deutlich weiteres Spektrum umfasst die Agoraphobie, der Angst vor bestimmten Orten oder Situationen. "Hierunter fällt die Angst vor weiten Flächen, vor Menschenmengen sowie vor Situationen, aus denen man schlecht flüchten kann", so Thünker. Dies schränke Betroffene oft massiv ein. In manchen Fällen gehen Angststörungen zudem mit Panikattacken einher. "Die Agoraphobie etwa gibt es als Form, bei der Menschen Orte meiden, die sie als unangenehm empfinden. Andere erleben richtige Panikzustände mit massivem Herzrasen und dem Gefühl, die Kontrolle zu verlieren", erläutert die Psychotherapeutin.

Von paroxysmaler Angst oder Panikstörung sprechen Experten, wenn sich die Panik nicht auf konkrete Situationen bezieht. Betroffene spüren vielmehr bestimmte Veränderungen in sich und entwickeln deshalb Angst, beispielsweise einen Herzinfarkt zu erleiden. Eine weitere Variante stellt die generalisierte Angststörung dar, bei der extreme Sorgen um das eigene Wohl oder auch das von Angehörigen im Vordergrund stehen. "Hier gibt es nicht solche Spitzen wie bei einer Panikstörung, die einen zwischendurch handlungsunfähig macht. Sie kann aber ebenfalls sehr quälend sein und geht mit einer hohen emotionalen Belastung einher", sagt die Expertin.

Hilfe durch Information und Konfrontation

Lassen sich Ängste überwinden? Thünker: "Da gibt es eine gute und eine schlechte Nachricht: Die gute lautet, es ist machbar, die schlechte, es ist anstrengend." Was bei Ängsten helfe, sei eine Verhaltenstherapie. Sie beinhalte zunächst Informationen darüber, was bei Angst passiert, wie und wo sie im Körper entsteht und warum sie zwar unangenehm, aber nicht lebensbedrohlich ist. "Und dann geht es tatsächlich an die Konfrontation mit dem, was einem Angst macht." Das bedeutet etwa bei einer Phobie, sich in die angstbesetzte Situation zu begeben und in dieser zu verbleiben. Dabei steigt der Angstpegel zwar zunächst an, doch sinkt er nach relativ
kurzer Zeit auch wieder ab. "Das Phänomen nennen wir Habituation oder biologische Gewöhnung", so Thünker. Der Patient merkt, dass er die Situation bewältigen kann und die Angst abnimmt. Wenn man dies regelmäßig übe, verschwinde die Angst am Ende so gut wie vollständig. Ähnlich gehen Psychologen und Psychotherapeuten auch bei anderen Ängsten vor, wobei sie dann die Konfrontation dem entsprechenden Störungsbild anpassen.

Medikamente ersetzen Verhaltenstherapie nicht

Bei stark ausgeprägten Ängsten können Ärzte Serotonin-WiederaufnahmeHemmer verordnen, also Mittel, die eigentlich gegen Depressionen wirken. "Diese Arzneimittel helfen nicht immer, aber wenn, dann bewirken sie, dass man sich von dem Angstmachenden gedanklich besser distanzieren kann", so Thünker. Des Weiteren gibt es trizyklische Antidepressiva, die einen leicht angstlösenden Effekt haben. "Sie kommen oft begleitend bei Sorgenstörungen zum Einsatz. Eine Alternative zur Verhaltenstherapie sind sie aber in der Regel nicht."

Wovon man absehen sollte, sei die dauerhafte Einnahme von Beruhigungsmitteln, wie etwa Benzodiazepinen, warnt die Psychotherapeutin. Diese können abhängig machen und sind auch in anderer Hinsicht kontraproduktiv. Denn schaffe man es, eine angstbesetzte Situation unter diesen Medikamenten zu bewältigen, sei der Lerneffekt nicht, dass man die Situation bewältigen kann, sondern dass man dies nur mit Medikamenten schafft.

Anders sieht es beim kurzfristigen Einsatz von Medikamenten aus, wenn etwa eine MRT-Untersuchung ansteht und man unter starker Angst vor Enge leidet. "Dann kann es durchaus sinnvoll sein, sich für diese Untersuchung ein solches Medikament geben zu lassen", so Thünker. Eine Dauerlösung seien diese Arzneistoffe jedoch auf gar keinen Fall.

Hanke Huber

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