Anti-D-Immunglobuline sind Medikamente, die verhindern, dass das Immunsystem einer schwangeren Frau das ungeborene Kind angreift. Das kann passieren, wenn die Mutter Rhesus-negativ ist, das Kind jedoch durch Vererbung vom Vater Rhesus-positiv (RhD-positiv). Wenn sich bei der Geburt dann das Blut von Mutter und Kind mischt, kann in der Folge das Immunsystem der Mutter Antikörper gegen das kindliche Blut bilden. Das hat meist keine Auswirkungen auf ein erstes Kind, kann jedoch schwere bis fatale Folgen für eine Folgeschwangerschaft mit einem Rhesus-positiven Kind haben (Rhesus-Inkompatibilität). Die Anti-D-Immunglobulin-Präparate sind die einzige Behandlungsoption, um einen Angriff des mütterlichen Immunsystems auf das Kind zu vermeiden.
Prophylaxe mit Anti-D-Immunglobulinen
In Deutschland wird deshalb bei allen Schwangerschaften die Blutgruppe der Mutter bestimmt. Ist sie Rhesus-negativ, bekam sie früher eine Anti-D-Prophylaxe, weil der Status des ungeborenen Kindes nicht bestimmt wurde. In Deutschland ist dies mittlerweile als Regelleistung durch einen Pränataltest möglich. Wird das Ungeborene RhD-positiv getestet – die Wahrscheinlichkeit hierfür beträgt laut dem Gemeinsamen Bundesausschuss rund 60 Prozent –, sollte die Schwangeren Anti-D-Immunglobuline bekommen. Ist das Kind ebenfalls Rhesus-negativ, ist dies nicht nötig.
Medikamente könnten knapp werden
Anti-D-Immunglobuline stehen bereits auf der Liste kritischer Arzneimittel der Europäischen Union. Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) hat gemeinsam mit den Aufsichtsbehörden Empfehlungen abgegeben, um Schwachpunkte in den Lieferketten anzugehen. Anti-D-Immunglobuline werden aus menschlichem Spenderblut gewonnen, was immer knapper wird. Zudem werden diese Präparate auch nur in einer begrenzten Anzahl von Ländern hergestellt, die alle außerhalb der Europäischen Union liegen, teilt die EMA mit. Sie will ernsthafte Lieferengpässe verhindern.
Welche Folgen haben die Empfehlungen?
Die EU-Mitgliedsstaaten sind nun aufgefordert, Pläne für die Sicherstellung der Verfügbarkeit von Anti-D-Immunglobulinen zu entwickeln. Vor allem soll ein unnötiger Einsatz vermieden werden, indem zum Beispiel das nicht-invasive pränatale Screening ausgeweitet wird. Das ist in Deutschland seit 2020 der Fall. Zudem sollen die Entwicklung und Validierung von Alternativen für diese Behandlung intensiviert werden und es soll Priorisierungsempfehlungen geben, um Engpässe zu managen. Darüber hinaus soll es Kommunikationskampagnen geben, um die Blutspendenbereitschaft zu erhöhen.
Die Europäische Kommission wird aufgefordert, Maßnahmen zu ermitteln, die die Kontinuität der Versorgung mit diesen Arzneimitteln gewährleisten. Zudem soll sie die Aktivitäten der Mitgliedstaaten unterstützen und koordinieren. Dazu soll auch der “Critical Medicines Act” genutzt werden – nicht nur für die Anti-D-Immunglobuline, sondern auch für plasmabasierte Arzneimittel allgemein.