Wer mitredet, wenn Gesundheits-Gesetze gemacht werden

Das Gesundheitswesen ist einer der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren in Deutschland. Im Jahr 2011 lag der Umsatz bei 300 Milliarden Euro – ziemlich gleichauf mit dem Bundeshaushalt. Kein Wunder, dass viele Institutionen mitreden wollen.

Blick ins Plenum des Deutschen Bundestags
Der Bundestag hat in Deutschland die Gesetzgebungskompetenz. Die verabschiedeten Gesetze bestimmen zum Beispiel, welche medizinischen Leistungen von den Krankenkassen bezahlt werden.
© Deutscher Bundestag / Marc-Steffen Unger

Drei Gruppen bestimmen das Gesundheitswesen in Deutschland: die Leistungserbringer, die Kostenträger sowie die Politik und deren Einrichtungen. Zu den Leistungserbringern gehören Apotheker, Ärzte, Krankenhäuser und viele andere Gesundheitsberufe. Sie behandeln und betreuen die Patienten. In den meisten Fällen bezahlen die Kranken ihren Arzt, das Krankenhaus oder ein in der Apotheke geholtes Arzneimittel aber nicht selbst. Die Rechnung begleichen Kostenträger. Dazu gehören die in der Gesetzlichen Krankenversicherung zusammengeschlossenen Krankenkassen, die privaten Krankenversicherungen, die Beihilfe für Beamte, die gesetzliche Unfallversicherung und die Pflegeversicherung.

Der mit Abstand größte Kostenträger ist die Gesetzliche Krankenversicherung. Neun von zehn Menschen in Deutschland sind bei einer der rund 130 Krankenkassen versichert. Nur 10 Prozent haben eine private Krankenversicherung. Entsprechend groß ist auch der Einfluss der Gesetzlichen Krankenversicherung auf die Politik.

Versicherte in Deutschland bezahlen die Beiträge selbst

In Sozialversicherungssystemen bezahlt ein über Beiträge der Versicherten finanziertes Versicherungssystem die Behandlung und andere Leistungen für die Patienten. Viele europäische Länder wie Frankreich, die Benelux-Staaten oder Österreich haben ein solches System. Daneben gibt es aber auch staatliche, über Steuern finanzierte Systeme, etwa in Großbritannien, Italien oder Portugal. Einen dritten Weg gehen die USA. Hier war die Krankenversicherung über lange Zeit reine Privatsache. Nach der jüngsten Gesundheitsreform ändert sich dies langsam.

Obwohl Deutschland also keine staatliche Krankenversicherung hat, übt die Politik großen Einfluss auf das Gesundheitswesen aus. Die wichtigste Rolle spielt dabei der Deutsche Bundestag. Mit seiner Gesetzgebungskompetenz setzt er den Rahmen für die Entscheidungen unter anderem darüber, welche medizinischen Leistungen von den Krankenkassen bezahlt werden und welche Aufgaben Ärzte, Zahnärzte und Apotheker übernehmen.

Viele Gremien arbeiten zusammen

Bevor ein Gesetz im Bundestag verabschiedet wird, waren jedoch andere parlamentarische Gremien bereits an der Entscheidungsbildung beteiligt. Initiativen für Gesetzesänderungen kommen in der Regel aus den Fraktionen der im Bundestag vertretenen Parteien, von der Bundesregierung oder über den Bundesrat aus den Bundesländern. Diese Initiativen werden dann meistens im Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung diskutiert und zur Entscheidung vorbereitet. An dieser Stelle werden auch schon die anderen Akteure im Gesundheitswesen, Leistungserbringer, Kostenträger und Patientenvertreter angehört. Immer dann, wenn die Bundesländer von einem neuen Gesetz betroffen sind, muss auch der Bundesrat zustimmen.

Neben dem Bundestag hat auch das Bundesgesundheitsministerium großen Einfluss auf das Gesundheitswesen, da es Gesetze und Verordnungen erarbeitet, die von der Bundesregierung angestoßen wurden. Hinzu kommen eine Reihe von Instituten, die als Bundesbehörden staatliche Aufgaben übernehmen. Die bekanntesten sind das für Infektions- und andere Krankheiten zuständige Robert Koch-Institut, das Paul-Ehrlich-Institut (Impfstoffe) und das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, in dem über die Zulassung von Arzneimitteln entschieden wird.

Selbstverwaltung der Gesundheitsakteure

Da das deutsche Gesundheitswesen aber nicht rein staatlich ist, haben auch die Leistungserbringer ein Mitspracherecht. Krankenkassen, Krankenhäuser und Ärzte haben die Möglichkeit, die Versorgung der Patienten zu gestalten. Dieses Recht üben sie über ihre Körperschaften des öffentlichen Rechts aus: die Bundesärztekammer, die Kassenärztliche Bundesvereinigung, den Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung und die Deutsche Krankenhausgesellschaft. Diese Institutionen übernehmen in Deutschland viele Aufgaben, die in anderen Ländern die Regierung übernimmt, und werden als Selbstverwaltung bezeichnet. Zu ihr zählen auch die Bundesapothekerkammer und die Einrichtungen der Tier- und der Zahnärzte.

Die wichtigste Aufgabe der Kassenärztlichen Bundesvereinigung ist der Sicherstellungsauftrag: Dies bedeutet, dass die Ärzte selbst – und nicht der Staat – eine flächendeckende medizinische Versorgung rund um die Uhr organisieren müssen. Eine ähnliche Aufgabe haben auch die Apothekerkammern, die den Nacht- und Notdienst der Apotheken organisieren.

Gremium von Ärzten, Kassen und Krankenhäusern

Die Vertreter von Ärzten, Krankenhäusern und Krankenkassen bilden den Gemeinsamen Bundesausschuss. Dieser hat die Aufgabe zu klären, welche Behandlungsmethoden unter der Maßgabe einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Gesundheitsversorgung von der Gesetzlichen Krankenversicherung erstattet werden.

Besondere öffentliche Aufmerksamkeit fällt dabei auf neue Arzneimittel, deren Preis die Pharmahersteller seit dem vergangenen Jahr nicht mehr frei kalkulieren dürfen. Für diese Medikamente ist nun eine Bewertung des Nutzens im Vergleich zu älteren Arzneimitteln vorgeschrieben. Diese Bewertung ist dann die Basis für den Preis, den das Medikament besitzen darf. Je größer der Nutzen, desto höher der Preis, lautet die Faustformel.

Das Gesundheitssystem in Deutschland ist zwar sehr kompliziert und ziemlich bürokratisch. Dennoch werden die Deutschen von vielen anderen Ländern darum beneidet, denn das Niveau der Leistungen ist überdurchschnittlich hoch, und fast jeder Mensch in Deutschland hat Zugang zu Ärzten, Apothekern oder Krankenhäusern.

Daniel Rücker, Chefredakteur der Zeitschrift für Apotheker, der "Pharmazeutischen Zeitung"

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