Arzneimittel

Coronavirus: Paracetamol statt Ibuprofen?

PZ/NK  |  30.04.2020

Was ist dran am derzeit viel diskutierten Zusammenhang zwischen Ibuprofen und einer Verschlimmerung der durch das Coronavirus ausgelösten Lungenkrankheit Covid-19? Im März warnte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) vor Ibuprofen bei grippalen Symptomen und empfahl stattdessen Paracetamol. Die Experten ruderten jedoch schnell wieder zurück und veröffentlichten nun eine Übersicht über die wissenschaftlichen Daten dazu.

Bei grippalen Symptomen nehmen viele Menschen Wirkstoffe wie Paracetamol und Ibuprofen ein, um Fieber und Gliederschmerzen zu lindern.
Bei grippalen Symptomen nehmen viele Menschen Wirkstoffe wie Paracetamol und Ibuprofen ein, um Fieber und Gliederschmerzen zu lindern.
© dragana991/iStockphoto

Auch die WHO zog ihren Ratschlag, bei Verdacht auf eine Infektion mit dem neuen Coronavirus kein Ibuprofen einzunehmen, schnell wieder zurück. Dafür hatte die Organisation die vorliegenden wissenschaftlichen Daten geprüft und war zu einer anderen Einschätzung des Risikos gekommen.

WHO veröffentlicht Forschungsdaten

Nun veröffentlichte die WHO die Zusammenfassung wissenschaftlicher Arbeiten, die dieser Bewertung zugrunde lag. Darin befasste sie sich mit der Wirkung von schmerz- und entzündungshemmenden Wirkstoffen wie Ibuprofen oder ASS, so genannten nicht steroidale Antirheumatika (NSAR). Die Forscher hatten sich 73 Studien mit Kindern und Erwachsenen angeschaut, die unter akuten viralen Atemwegsinfekten litten beziehungsweise Symptome zeigten, wie sie typischerweise bei einer Infektion mit Atemwegsviren auftraten.

Demnach gab es kaum oder keine Unterschiede zwischen Ibuprofen und Paracetamol bei Kindern mit Fieber bezüglich der Gesamtsterblichkeit, Krankenhauseinweisungen, akutem Nierenversagen und akuten Magen-Darm-Blutungen. Das Risiko von NSAR für Schlaganfälle und Herzinfarkte bei Erwachsenen blieb unklar. Bei der Sterblichkeit zeigte sich kein Unterschied.

Die WHO weist jedoch darauf hin, dass diese Übersicht mit vielen Einschränkungen zu bewerten ist. Zum Beispiel gab es keine Patienten, die nachweislich an SARS, MERS oder Covid-19 erkrankt waren, nicht immer lag auch ein Nachweis vor, ob es sich um eine virale Infektion handelte, oder welches NSAR genau genommen wurde.

Gleichwohl sieht die WHO zum jetzigen Zeitpunkt keinen Nachweis für schwere Nebenwirkungen, wenn Covid-19-Patienten bei akuten Problemen ein NSAR einnehmen. Dies gilt auch hinsichtlich dem Langzeitüberleben oder der Lebensqualität.

Meldungen aus den Nachbarländern

In den letzten Wochen gab es zudem Meldungen in den Nachbarländern, die vor der Einnahme von Ibuprofen und anderen NSAR wie ASS, Naproxen, Ketoprofen oder Diclofenac bei grippalen Symptomen warnten und stattdessen Paracetamol empfahlen. Eine Nachfrage der Pharmazeutischen Zeitung bei der französischen Apothekerkammer ergab, dass die dortige Arzneimittelbehörde bereits im April 2019 vor schweren Komplikationen bei Atemwegsinfektionen bei Kindern und jungen Erwachsenen gewarnt hatte, wenn diese Ibuprofen oder Ketoprofen eingenommen hatten. Daher wird hier bereits seit knapp einem Jahr empfohlen, bei Schmerzen und Fieber im Zusammenhang einer Atemwegsinfektion Paracetamol zu bevorzugen.

Auch das Bundesamt für Gesundheit (BAG) der Schweiz hatte Stellung zur Ibuprofen-Frage genommen, dabei zunächst zu einer vorsichtigen Haltung geraten und bei Fieber Paracetamol empfohlen. Mittlerweile wurde diese Empfehlung zurückgezogen: "Es gibt derzeit keine wissenschaftlichen Daten, die auf einen solchen Zusammenhang hinweisen. Das Medikament Ibuprofen beeinflusst den Krankheitsverlauf von Covid-19 nicht nachweislich. Vielmehr ist es wichtig, dass Vor- oder Begleiterkrankungen von an Covid-19 erkrankten Patientinnen und Patienten abgeklärt werden. Die Behandlung wird dann – wie üblich – sorgfältig auf die individuelle Situation abgestimmt", heißt es auf der Webseite der BAG.

Am 14. April gab es zudem eine neue Einschätzung der Arzneimittelbehörden in Großbritannien, die am 17. April im "British Medical Journal" (BMJ) kommentiert wurde. Demnach kann Ibuprofen bei Symptomen einer Covid-19-Infektion, genauer gesagt Fieber und Kopfschmerzen, eingenommen werden. Dasselbe gilt für Paracetamol. Noch Anfang April hatte das britische Gesundheitsministerium empfohlen, Paracetamol den Vorzug vor Ibuprofen bei Fieber und Verdacht auf Covid-19 zu geben. Die Behörde betonte aber auch, dass der Kenntnisstand immer wieder neu evaluiert werde und die Empfehlungen auf Basis der besten verfügbaren Evidenz angepasst würden. Im BMJ wird allerdings bemängelt, dass die zugrunde liegende Evidenz für die bisherigen Ratschläge nicht veröffentlicht wurde.

Verordnete Medikamente nicht einfach absetzen

Alle weisen jedoch darauf hin, dass eine ärztlich verordnete Einnahme von Ibuprofen und anderen NSAR-Medikamenten nicht ohne Rücksprache mit dem Arzt abgesetzt werden sollte, insbesondere bei chronisch kranken Patienten, die diese Medikamente dauerhaft nehmen müssen.

Dem schließt sich auch die Europäische Arzneimittelbehörde EMA an: Den aktuellen Empfehlungen zufolge soll Ibuprofen in der niedrigsten wirksamen Dosis über einen möglichst kurzen Zeitraum eingesetzt werden. Es gebe derzeit keinen Grund, eine Behandlung mit Ibuprofen zu unterbrechen.

Quelle: WHO-Übersichtsarbeit

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