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Raus aus der Stress-Falle

Hanke Huber  |  02.01.2023

An sich ist eine Stressreaktion gut, wenn es darum geht, sich in Alarmbereitschaft zu versetzen und zu aktivieren. Wird das aber zum Dauerzustand, können Körper und Psyche erkranken.

Junge Frau vor dem Laptop, erschöpft.
Um früh gegenzusteuern, ist es hilfreich, wenn man persönlich Stressanzeichen kennt.
© stockfour/iStockphoto

"Stellen Sie sich vor, Sie sitzen auf einem Podium und sollen einen Vortrag halten. Dann sind vielleicht die Muskeln etwas angespannt, der Blutdruck steigt, man kommt ins Schwitzen. Das sind typische Signale, die zeigen, dass der Körper aktiviert wird." So beschreibt der Psychologe Dr. Leif Boß von der Universität Lüneburg eine typische Stressreaktion. Diese steuert ein entwicklungsgeschichtlich sehr alter Teil des Gehirns, die Amygdala. Bei Gefahr versetzt sie den Körper in die Lage, einen Kampf- oder Fluchtmodus zu aktivieren. Heutzutage geht es zumindest hierzulande eher nicht um Gefahren für Leib und Leben. Doch auch Über- oder Unterforderung bei der Arbeit, Zeitnot, hohe Ansprüche an sich selbst oder Konflikte in der Familie kommen als Stressauslöser infrage.

Gesundheitlich verursachen Stressreaktionen zunächst keine Probleme. Das passiert erst, wenn sie langfristig mit dem Gefühl einhergehen, eine Situation nicht bewältigen zu können. Dann kann Stress chronisch werden und krank machen. Das zeigt sich durch Kopfschmerzen, Verspannungen, Zähneknirschen oder Schlafprobleme bis hin zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Magengeschwüren, Reizdarm oder psychischen Störungen wie Depressionen. Um Stress zu verringern, hilft es, bei der Stresswahrnehmung und der Frage zu beginnen, wie man die Situation bewältigt. Man kann aber auch bei der körperlichen Reaktion selbst ansetzen, etwa mit Entspannungsverfahren wie der Progressiven Muskelentspannung nach Jacobson. Diese lässt sich laut Boß dazu nutzen, ein Körpergefühl für stressbedingte Muskelanspannung zu entwickeln, um anschließend aktiv zu entspannen. Eine andere Methode bietet die Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion (MBSR). Sie übt das bewertungsfreie Wahrnehmen von Situationen, Gefühlen und Gedankenmustern. 

Weitere Tipps gegen Stress

Kontakt halten: "Ein stabiles soziales Netz, das man als unterstützend wahrnimmt, kann sehr hilfreich sein." Es kommt nicht auf die Größe des Netzes an. "Wichtig ist vielmehr, dass man den Eindruck hat, es gibt Personen, die helfen könnten, wenn man sie braucht", so Psychologe Dr. Leif Boß.

Etwas Schönes planen: "Alles, was ich mache, um mir selbst Gutes zu tun, trägt zum Wohlbefinden bei und verringert das Gefühl von Stress", sagt der Psychologe. Das können ein regelmäßiger Sportkurs, ein Saunabesuch, ein Kinoabend oder kleine Auszeiten während des Tages sein." Auch wenn man gerade viel um die Ohren hat, empfiehlt Boß, sich immer mal wieder zehn Minuten für sich zu nehmen.

Anzeichen erkennen: Um früh eingreifen zu können, hilft es, persönliche Stressanzeichen zu kennen. Dazu zählen Herzklopfen, Beklemmungsgefühle oder bestimmte Gedanken wie: "Ob du das hinkriegst?" Erkennt man diese Anzeichen, kann man bewusst Druck rausnehmen und tief durchatmen.

Entspannen lernen: Meditation, Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung nach Jacobson – alle haben sich als Entspannungsmethoden bewährt. Sie schärfen die Wahrnehmung und fördern eine achtsame Haltung. Hier muss jeder das Richtige für sich finden. Um sie einzuüben, muss man sich Zeit nehmen, die in stressigen Phasen knapp ist. Hier müsse man eine Entscheidung treffen, nach dem Motto: "Das ist eine Baustelle, und die möchte ich jetzt angehen", so Boß. 

Sich regelmäßig bewegen: Durch Sport und Bewegung bekommt man Abstand vom Alltag und baut Stresshormone ab. "Außerdem weiß man, dass Bewegung sehr gut dabei helfen kann, psychische Krankheitsbilder wie Depressionen zu bewältigen."

Grübelgedanken stoppen: Eine Strategie dafür klingt etwas paradox. "Ich trage mir ganz bewusst in den Kalender etwa für den Abend eine Viertelstunde Grübelzeit ein. Dann setze ich mich hin und gönne mir die Zeit, über das, was mich gerade beschäftigt oder sorgt, nachzudenken. Nach 15 Minuten mache ich einen Cut, wechsele den Raum und mache etwas anderes. Die Sorgen haben für heute ihren Platz bekommen. Den kriegen sie morgen nochmal, und übermorgen auch – und irgendwann habe ich sie weggearbeitet. Solche Gedanken haben ihre Berechtigung, aber den Raum, den sie bekommen, bestimme ich", so der Experte.

Fokus wechseln: Eine weitere Möglichkeit, Sorgengedanken zu stoppen, liegt darin, den Blick auf etwas Positives zu richten. Was läuft gerade gut? Welches schönes Erlebnis hatte ich heute? Mit wem habe ich mich gut unterhalten? Was macht gerade Spaß?

Denkmuster ändern: "Wenn ich den Eindruck habe, dass es bei mir Denkmuster gibt, die es mir im Alltag oft schwermachen und Stress verstärken, kann ich versuchen, diese gezielt zu verändern. Das kann etwa in Form eines Stressbewältigungstrainings geschehen." Aber: Verhaltensweisen zu ändern, braucht Zeit und Übung.

Stichwort Perfektionsmus: Einerseits baut eine hohe Erwartungshaltung Druck auf. "Andererseits hat es aber möglicherweise auch einen guten Grund, warum ich perfektionistisch bin. Es ermöglicht mir zum Beispiel, gute Leistungen abzuliefern oder Freunde und Familie gut zu unterstützen", führt der Psychologe an. Hier muss man die richtige Balance finden.

Schlafprobleme angehen: "Bei leichten Schlafproblemen würde man zunächst mit Schlafhygieneregeln anfangen: Homeoffice und Schlafzimmer trennen, auf die Lichtverhältnisse achten, kein intensiver Sport kurz vor dem Schlafen, auch kein Alkohol und Koffein", so Boß. Bei richtigen Schlafstörungen lohnt ein Versuch, Bettliege- und tatsächliche Schlafenszeiten anzunähern (siehe nächster Punkt).

Effektive Schlafzeit erweitern: Bei richtigen Schlafstörungen kann man mit Schlafrestriktion arbeiten. "Ziel ist es, die Bettliegezeit und die Schlafenszeit einander anzugleichen. Bei Menschen, die acht Stunden im Bett liegen, aber nur fünf Stunden schlafen, würde man also zunächst die Bettliegezeit verkürzen. Das bedeutet, später ins Bett zu gehen und/oder früher aufzustehen. Wenn ich sechseinhalb Stunden im Bett liege und davon fünf Stunden schlafe, habe ich eine höhere Schlafeffizienz. Von diesem Punkt ausgehend kann ich versuchen, peu à peu die effektive Schlafzeit zu erweitern. Und wenn das gelingt, auch die Bettliegezeit wieder anzupassen." Oft werde dies mit einem Schlaftagebuch kombiniert. "Das funktioniert erstaunlich gut, oft schon nach ein paar Tagen", so der Psychologe.

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