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07.05.2025 09:38 Uhr
Die Form und Beschaffenheit der Zunge spielt für die Diagnose von Erkrankungen in der TCM eine wichtige Rolle. Denn: „Auf diese Weise können wir bereits ein Stück weit in den Körper hineinsehen“, erklärt Gabriele Fischer-Humbert, Heilpraktikerin für Chinesische Medizin und 2. Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft für Klassische Akupunktur und Traditionelle Chinesische Medizin (AGTCM e.V.). Dabei wird auf Folgendes geachtet:
Wie ist die Durchblutung der Zunge? Ist sie kraftvoll oder eher zittrig und schlapp?
Wie ist der Zungenkörper beschaffen? Ist er groß, klein, flach, ist er rot oder blass oder fahl?
Wie sieht der Zungenbelag aus? Dick, dünn, trocken, schmierig, weißlich, gelblich oder gräulich bis dunkel?
Wie sehen die sogenannten Unterzungen-Venen aus? Um dies zu beurteilen, muss der Mund gut geöffnet und die Zungenspitze an die vorderen Schneidezähne bewegt werden. Sind die Unterzungenvenen sichtbar, füllen sie sich schnell, wo füllen sie sich besonders stark mit dem dunklen venösen Blut?
Sieht man unter der Zunge gut durchblutete Schleimhäute oder ist der Bereich von einer blass-milchigen Schicht überzogen?
Wie sieht die Zunge von unten aus, ist die an bestimmten Stellen mehr gerötet als an anderen?
Wie sieht eine gesunde Zunge aus?
„Die gesunde Zunge ist kräftig, hat einen dünnen weißlichen Belag, ist nicht auffallend klein oder groß, im Verhältnis zur ganzen Statur des Patienten“, erklärt Fischer-Humbert. Die Oberseite ist glatt, hat keine Furchen und zeigt auch keine sogenannten erhabenen Papillen. Das sind kleine, rote, runde leicht hervorstehende Unebenheiten. Die Unterzungenvenen sind nur dünn und leicht gefüllt. Die Schleimhaut unter der Zunge ist rosa.
Ist die Zunge verändert, kann das auf bestimmte Krankheiten oder ein Ungleichgewicht im Körper hindeuten. Die Expertin betont jedoch: „Was auf der Zunge zu sehen ist, ist immer eine Momentaufnahme. Die Zeichen, die zu erkennen sind, können sich ändern – manchmal auch in wenigen Tagen.“ Das bedeutet: „Nur gemeinsam mit anderen Symptomen und einer umfassenden Anamnese lässt sich eine fundierte Diagnose erstellen.“ Eine einzige Veränderung für sich habe in der Regel keine Aussage. Das gelte vor allem, wenn man sich ansonsten wohl fühlt und keine weiteren Beschwerden hat.
Wie lassen sich Veränderungen auf der Zunge deuten?
Folgende Beispiele können einen Hinweis auf bestimmte Erkrankungen geben. „Für sich allein sollten sie jedoch nicht interpretiert werden. Außerdem ist es wichtig zu wissen, dass die Terminologie der TCM nicht mit den Vorstellungen der westlichen Medizin gleichgesetzt werden kann“, so die TCM-Heilpraktikerin aus München. Wer sich unwohl fühlt oder unter bestimmten Krankheitssymptomen leidet, sollte das immer medizinisch abklären lassen.
- Vergrößerte und rötlich verfärbte Zungen-Papillen (Himbeer- oder Erdbeer-Zunge): Dies deutet auf zu viel Hitze im Körper hin, eventuell auch Fieber, und möglicherweise auf Infektionskrankheiten wie etwa Scharlach.
- Blasse Zunge: Kann ein Zeichen für einen Blutmangel sein, für innere Kälte oder dafür, dass der Körper zu wenig Energie („Qi“; wird wie „tschie“ ausgesprochen) besitzt.
- Dicke, gedunsene Zunge, oft mit Zahneindrücken an den Zungenrändern: Der Stoffwechsel funktioniert etwas eingeschränkt: Im Körper gibt es eine Belastung mit zu viel Feuchtigkeit und die „Mitte“ ist geschwächt. Oder die Ernährung überfordert den Stoffwechsel mit zu viel Rohkost, kalten Getränken, Milchprodukten, Weißmehlprodukten, Zucker, Süßigkeiten, industriell verarbeiteten Lebensmitteln und auf der anderen Seite erhält er zu wenig frisch gekochte Speisen mit hohem Gemüseanteil und vollwertigen Getreiden.
- Dicker Belag: Auch er kann für eine falsche Ernährung und/oder für eine reduzierte Stoffwechselleistung stehen. Ist der Belag gelblich, dann liegt evtl. auch etwas zu viel Hitze im Körper vor.
- Wo ist der Belag dick, eingefärbt, oder fehlt ganz, oder wo ist eine stärkere Rötung zu sehen? „Dies gibt Aufschluss auf eine mögliche Zuordnung zu einzelnen Organsystemen: Die Zungenspitze wird dem Herzen zugeordnet. Der Bereich dahinter, im oberen Drittel der Zunge, steht für die Lunge. In der Mitte der Zunge liegen die Referenzregionen für die Organe Milz und Magen (in der TCM auch die „Mitte“ genannt). Die Ränder der Zunge repräsentieren das Organ Leber, der Zungengrund lässt Rückschlüsse auf das Organ Niere zu“, erklärt Fischer-Humbert.
- Stark gerötete Zunge: Ist der Zungenkörper leuchtend rot, dann kann dies auf eine zu große Hitze im Körper hinweisen. Dann zeigen sich auch oft die bereits genannten geröteten Papillen.
- Risse auf der Zunge: Haben sich auf der Oberfläche Risse im eigentlich glatten Zungenkörper gebildet, dann kann dies anzeigen, dass durch eine zu große Hitze bereits die Flüssigkeiten im Körper reduziert sind.
- Zittern der Zunge: In diesem Fall könnte der Körper über zu wenig Energie verfügen.
Selbsttest Zungendiagnose: Worauf kann ich selbst achten?
Um die Zunge selbst zu betrachten, sollte man vor der Untersuchung nicht rauchen oder färbende Speisen, wie etwa Oliven, Mandarinen oder Tee zu sich nehmen. Die beste Zeit für die Beobachtung ist nach dem Aufstehen. Die Untersuchung sollte bei Tageslicht und nicht bei Neonlicht durchgeführt werden. Zunge locker herausstrecken und beobachten:
- Zunächst die Farbe der Zunge betrachten.
Ist sie gerötet oder blasser als normal?
- Dann die Form der Zunge anschauen.
Wirkt sie aufgequollen oder geschrumpft? Wo zeigen sich diese Veränderungen? Eher an den Rändern, im Zentrum oder an der Spitze der Zunge?
- Dann den Zungenbelag anschauen.
„Wenn sich ein dicker, gelblicher Belag auf der Zunge bildet oder auch, wenn es dazwischen Stellen auf der Zunge gibt, die völlig belaglos sind, dann würde ich empfehlen, einen gut ausgebildeten Arzt/Ärztin oder einen TCM-Heilpraktiker aufzusuchen, und um eine differenzierte Einschätzung zu bitten“, so Gabriele Fischer-Humbert. Das gelte vor allem, wenn bestimmte Beschwerden oder Krankheitssymptome auftreten.