Katrin Faßnacht-Lee
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01.01.2022
Herr Professor Dr. Klotter, wie vermeide ich Essanfälle?
Klotter: Essanfälle passieren häufig, wenn Menschen Stress haben oder frustriert sind. Für solche Situationen gilt es, sich Handlungsweisen zu überlegen, wie man damit anders umgehen kann. Wenn ich gestresst von der Arbeit komme und den Impuls habe, gleich zum Kühlschrank zu gehen, heißt das: Ich muss ein Stoppschild setzen. Ich hänge den Mantel auf und überlege mir, was ich alternativ machen kann. Gehe ich gern spazieren? Treffe ich gern Freunde zum Kaffeetrinken? Lege ich mich gern auf die Couch und höre Musik? Die Belohnung durch das Essen muss ersetzt werden durch eine andere. Sie kann nicht gestrichen werden. Das kann ich auch vorab schriftlich formulieren: "Was mache ich, nachdem ich das Stoppschild aufgestellt habe?" Jeder muss die passende Belohnung für sich herausfinden.
Was mache ich, wenn das Stoppschild nicht funktioniert?
Klotter: Das muss man lernen, zu akzeptieren und sich sagen: Das ist vorübergehend. Es gibt auch schwierige Zeiten, wir sind nicht perfekt. Man muss sich auch fragen: Warum ist das jetzt so? Was frustriert oder stresst mich? Was kann ich ändern? Das Leben darf uns nicht passieren; wir müssen lernen, es aktiv zu gestalten. Machen Sie aus Ihrem Leben eine Bastelstube. Es ist nie alles fertig. Sondern wir sind immer auf dem Weg. Wir können Verschiedenes ausprobieren. Und wenn man bastelt, macht man auch Fehler.
Muss ich nicht einfach auch lernen, konsequenter zu sein?
Klotter: Wenn man es mit der Konsequenz nicht schafft, würde ich mit der Person sprechen, die mich begleitet. Da brauche ich den Dialog. Wenn ich allein durch die Welt laufe, gebe ich auf. Der Mensch braucht soziale Unterstützung. Außerdem ist es wichtig, sich um sich kümmern zu lernen und sich nicht sich selbst an die Wand zu stellen. Wir müssen ein problematisches Essverhalten erstmal verstehen und versuchen, eine kreative Lösung zu finden, und nicht sagen "wie schrecklich". Das gehört zum sich Verzeihen und Verstehen dazu. Dann ist man eher offen, etwas zu ändern und Rückschläge zu akzeptieren. Zum Essen gehört die Sünde dazu. Und wir sündigen gern.
Vielen Dank für das Gespräch!