ADHS bei Kindern: Medikamente in den USA oft zu früh verschrieben

Dr. Karen Zoufal  |  18.09.2025 15:16 Uhr

Bei ADHS im Kindergartenalter raten Fachleute zuerst zur Verhaltenstherapie, nicht zu Tabletten. Doch eine US-Studie zeigt: Viele Kinder bekommen schon kurz nach der Diagnose Medikamente verschrieben.

Fünf Kinder rennen über eine Wiese im Schatten eines Baumes.
Kinder im Alter von 3 bis 5 Jahren: Ihre Körper können ADHS-Medikamente noch nicht vollständig verarbeiten.
© Kalinovskiy/iStockphoto

Kleine Kinder mit Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) bekommen oft bald nach der Diagnose Medikamente, so eine US-Studie. Das widerspricht allerdings gängigen Behandlungsrichtlinien. Denn die Fachleute sind sich einig. 

Zwei von fünf Kindern bekommen Medikamente direkt nach der Diagnose

Wenn bei Kindern im Kindergarten- und Vorschulalter ADHS diagnostiziert wird, sind Medikamente nicht die erste Wahl. Vielmehr sollten zunächst eine Schulung der Eltern und Betreuungspersonen sowie Verhaltenstherapie im Vordergrund stehen. Die gelebte Praxis sieht aber anders aus, wie Krankenakten von fast 10.000 Kindern mit ADHS im Alter von drei bis fünf Jahren erkennen lassen: 

Zwei von fünf Kindern bekommen vom Kinderarzt unmittelbar nach der Diagnose ein Rezept für ein Medikament ausgestellt. Nur etwa jedes siebte Kind mit ADHS bekommt mehr als sechs Monate nach der Diagnose ein Medikament und nur etwa jedes zehnte eine Verhaltenstherapie.  

Die Chance der Verhaltenstherapie wird vertan

„Wir haben festgestellt, dass vielen kleinen Kindern bereits kurz nach der Diagnose ADHS Medikamente verschrieben werden“, betont Studienautor Dr. Yair Bannett von der Stanford Universität in einer Mitteilung zur Veröffentlichung. „Das ist besorgniserregend, denn wir wissen, dass es sinnvoll ist, die ADHS-Behandlung mit einem verhaltenstherapeutischen Ansatz zu beginnen; es hat einen großen positiven Effekt auf das Kind und die Familie.“

Kleine Kinder verstoffwechseln ADHS-Medikamente noch nicht komplett 

ADHS-Medikamente können bei kleinen Kindern mehr Nebenwirkungen als bei älteren haben, weil der Körper die Medikamente vor dem sechsten Lebensjahr noch nicht vollständig verwerten kann. Die Medikamente können kleine Kinder reizbarer, emotionaler und aggressiver machen. „Wir haben keine Bedenken hinsichtlich der Toxizität der Medikamente für 4- und 5-Jährige. Wir wissen aber, dass die Wahrscheinlichkeit eines Behandlungsversagens hoch ist, da viele Familien die Nebenwirkungen als größer erachten als den Nutzen“, erklärte Bannett. 

Welchen Zweck hat die Verhaltenstherapie?

Eine Verhaltenstherapie betrachtet das Umfeld des Kindes – auch das Verhalten der Eltern und den Tagesablauf. Das hilft Eltern und Kindern, nötige Fähigkeiten zu entwickeln und kindgerechte Gewohnheiten zu entwickeln. Medikamente lindern dagegen ADHS-Symptome wie Hyperaktivität und Unaufmerksamkeit. Die meisten Kinder mit ADHS benötigen beides, damit es ihnen gut geht. Frühere Studien mit Vorschulkindern zeigen jedoch, dass es am besten ist, mit einer sechsmonatigen Verhaltenstherapie zu beginnen, bevor Medikamente verschrieben werden.

Quelle: DOI 10.1001/jamanetworkopen.2025.29610

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