Gefahr durch Umwelthormone?

Hormonaktive Substanzen stecken in vielen Kosmetikartiken oder Lebensmitteln. Wie man sich schützen kann, erklärt ein Experte.

Hormonaktive Substanzen stehen im Verdacht, für den Menschen schädlich zu sein.
Experten rufen dazu auf, beim Einkaufen von Kosmetik oder Lebensmitteln genau auf die enthaltenen Stoffe zu achten.
© Oleksandra Polishchuk/iStockphoto

Herr Professor Köhrle, was sind sogenannte Umwelthormone?

Köhrle: Den Namen würde ich so nicht verwenden. Im Deutschen spricht man von Substanzen, die das Hormonsystem stören. Der Fachbegriff lautet endokrine Disruptoren. Diese Substanzen kommen etwa in der Umwelt, in der Nahrung, in
Gebrauchsgegenständen oder Kosmetika vor. Sie wirken wie Hormone selbst oder beeinflussen das Hormonsystem bei Mensch und Tier. Hormone entfalten in kleinsten Konzentrationen ihre Wirkung, so dass Störungen durch endokrine Disruptoren leicht möglich sind.

Inwiefern schaden sie Menschen?

Köhrle: Sie beeinträchtigen etwa die Fruchtbarkeit, die Gehirnentwicklung oder können in manchen Fällen die Entstehung von Prostata-, Hoden- oder Brustkrebs begünstigen. Im Tierexperiment hat man diese Wirkmechanismen nachgewiesen. Menschen sind natürlich nicht nur einer dieser Substanzen ausgesetzt, sondern Gemischen. So lässt sich schwer nachweisen, dass Belastungen mit Stoff A den Effekt B haben. Doch langfristige Beobachtungsstudien zeigen, in welchen
Fällen es begründeten Verdacht gibt, dass eine Substanz schädlich ist.

Gibt es Substanzen, die verboten werden sollten?

Köhrle: Ja, allerdings passiert bislang leider viel zu wenig. Die Hersteller haben etwa Bisphenol A (BPA) aus Babyflaschen herausgenommen. Da weiß man seit Langem, dass es wie das weibliche Sexualhormon Östradiol wirkt sowie die Wirkung des männlichen Sexualhormons Testosteron beeinträchtigen kann. BPA steckt allerdings weiterhin in Plastik, Kassenzetteln oder der Auskleidung von Nahrungsmittelpackungen. Auch Benzophenon oder 4-MBC aus Sonnenschutzmitteln müsste man wie in skandinavischen Ländern aus dem Verkehr ziehen. Unter den Weichmachern wurden sogenannte kurzkettige Phtalate verboten, aber die längerkettigen sind noch im Verkehr. Auch einige Schädlingsbekämpfungs- und Pflanzenschutzmittel wirken als endokrine Disruptoren. Hier müsste die Politik reagieren. Endokrine Disruptoren dürften wie krebserregende Substanzen gar nicht in den Verkehr gebracht werden.

Warum geschieht zu wenig?

Köhrle: Die Marktmacht der Produzenten ist sehr groß, und die Politik setzt hierzulande leider nur auf die Freiwilligkeit und Einsicht der Industrie.

Kann man sich selbst vor Umwelthormonen schützen?

Köhrle: Ja, indem man sich seriös informiert und entsprechende Kaufentscheidungen trifft. Wir müssen uns damit beschäftigen, was wir essen, wie wir uns pflegen, wie wir uns kleiden und was es für Alternativen gibt. Informationen liefern zum Beispiel Verbraucherschutzorganisationen wie hierzulande der BUND. Dessen ToxFox-App etwa ist ein sehr guter Anfang. Darin erfährt man, ob ein Produkt hormonaktive Substanzen enthält. Die Verbraucher müssen aktiv werden. Das ist mühsam, aber es lohnt sich.

Vielen Dank für das Gespräch.

Die Fragen stellte Katrin Faßnacht-Lee.

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