Polio-Viren im Abwasser gefunden: Impfschutz jetzt überprüfen!

Natascha SchleifDr. Karen Zoufal  |  11.07.2025 09:27 Uhr

Im Abwasser vieler deutscher Städte wurden erneut Polioviren gefunden. Die Viren können die gefürchtete Kinderlähmung auslösen. Experten rufen daher dazu auf, den Impfstatus zu kontrollieren.

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Die STIKO empfiehlt eine Immunisierung gegen Polio für alle Babys, bestehend aus drei Impfungen im Alter von zwei, vier und elf Monaten.
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Seit September letzten Jahres häufen sich die Berichte positiver Nachweise von Poliovirus in Abwasserproben - nicht nur in Deutschland, auch in Spanien, Polen und dem Vereinigten Königreich. Die nachgewiesenen Polio-Erreger stammen von Schluckimpfungen, bei denen abgeschwächte, vermehrungsfähige Impfviren verabreicht werden. In Deutschland gibt es die Schluckimpfung schon lange nicht mehr, aber in vielen Ländern in Afrika, Asien und teils im Nahen Osten wird sie noch verwendet. Die abgeschwächten Impfviren können nach der Schluckimpfung bis zu sechs Wochen lang mit dem Stuhl ausgeschieden werden. In dieser Zeit können sich die Impfviren so verändern, dass sie wieder krankmachend sind. Dort, wo die Viren im Abwasser gefunden werden, scheiden Personen Polioviren aus. Ungeimpfte oder nicht vollständig geimpfte Personen können sich bei infizierten Menschen anstecken und erkranken, warnt die Ständige Impfkommission (STIKO). 

Kinder besonderes gefährdet

Das Virus ruft die gefürchtete Kinderlähmung (Poliomyelitis) hervor: eine hochansteckende Infektionskrankheit, gegen die es keine Behandlung gibt. Wenn Poliomyelitis bei ungeimpften Menschen einen schweren Verlauf nimmt, kann sie das Nervensystem befallen und zu dauerhaften Lähmungen führen. Meist erkranken Kinder unter fünf Jahren. Der Name Kinderlähmung täuscht jedoch, denn auch Erwachsene können Poliomyelitis bekommen. 

Die Viren werden mit dem Stuhl ausgeschieden, und die Ansteckung erfolgt durch Schmierinfektion. Durch regelmäßiges Händewaschen und Desinfektion der Hände lässt sich das Risiko einer Übertragung senken. Der effektivste Schutz ist eine Impfung. Die STIKO ruft daher alle Eltern auf, den Impfstatus ihrer Kinder zu checken oder von medizinischem Personal in der Kinder- oder Hausarztpraxis überprüfen zu lassen und fehlende Impfungen schnellstmöglich nachzuholen. 

Prof. Dr. Uta Meyding-Lamadé von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN) ergänzt: „Nach der außerordentlichen Erfolgsgeschichte der Polio-Impfung – weltweit wurde das Virus um über 99 Prozent zurückgedrängt – ist die jetzige Situation zwar ein Rückschlag. Aber die Immunisierung ist in Deutschland so hoch, dass wir keine Endemie befürchten müssen. Allerdings müssen wir davon ausgehen, dass sich Kinder ohne Impfschutz sowie immungeschwächte Erwachsene ohne Impfschutz nun auch wieder in Deutschland mit Polioviren infizieren könnten.“ 

Polio-Impfquoten sind unzureichend 

In Deutschland gilt Polio als ausgerottet. Um dies beizubehalten, empfiehlt die STIKO eine Grundimmunisierung im Säuglingsalter, bestehend aus drei Impfungen im Alter von zwei, vier und elf Monaten. Im Alter von neun bis 16 Jahren wird eine Auffrischimpfung empfohlen. 

Nachdem Polio-Viren schon im vergangenen Jahr in deutschen Abwässern gefunden wurden, hatte die STIKO die Impfquoten im Journal Epidemiologisches Bulletin (50/2024) veröffentlicht. Dabei zeigte sich: Es besteht bundesweit noch Luft nach oben. Die Daten zeigen, dass mehr als eine halbe Million Kinder eines Geburtsjahrgangs zum ersten Geburtstag noch keinen vollständigen Polioimpfschutz aufweisen – das sind 79 Prozent. Mit zwei Jahren sind es immer noch mehr als 180.000 Kinder pro Jahrgang (23 Prozent). „Um Fälle von Kinderlähmung zu verhindern, müssen Impfserien möglichst zeitnah abgeschlossen und bestehende Impflücken dringend geschlossen werden“, mahnt die STIKO. Das Ziel sei eine Impfquote von mindestens 95 Prozent mit drei Impfstoffdosen bis zum Ende des ersten Lebensjahres. 

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