Überblick
Übergewicht entsteht, wenn dem Körper über längere Zeit mehr Energie zugeführt als verbraucht wird – aber es ist viel mehr als nur eine Rechenfrage. Auch Veranlagung, Hormone, Medikamente, Stress, Schlafmangel oder emotionale Belastungen können eine Rolle spielen.
In Deutschland sind über 50 Prozent der Erwachsenen übergewichtig – etwa 60 Prozent der Männer und 47 Prozent der Frauen. Bei starkem Übergewicht (Adipositas) sind Männer und Frauen etwa gleich häufig betroffen.
Zur Einordnung des Körpergewichts ist der Body-Mass-Index (BMI) weit verbreitet. Er setzt Körpergewicht und Körpergröße ins Verhältnis. Der BMI ist einfach zu berechnen, aber nicht perfekt – er unterscheidet nicht zwischen Muskel- und Fettmasse und sagt wenig über die Verteilung des Körperfetts aus.
Deshalb achten Fachleute heute zusätzlich auf den Taillenumfang oder das Taille-zu-Körpergröße-Verhältnis (Waist-to-Height-Ratio), da Bauchfett besonders ungünstig für Herz und Stoffwechsel ist. Auch moderne Messmethoden wie die Körperzusammensetzungsanalyse können helfen, das persönliche Risiko besser einzuschätzen.
Entscheidend ist nicht allein das Gewicht – sondern wie belastbar der Körper ist und ob bereits Folgeerkrankungen vorliegen. Die gute Nachricht: Schon kleine Veränderungen im Alltag können viel bewirken.
Symptome von Übergewicht
Übergewicht kann mit körperlichen und psychischen Beschwerden einhergehen, vor allem wenn es über längere Zeit besteht oder stark ausgeprägt ist. Viele Betroffene merken die Folgen erst nach und nach.
Mögliche Beschwerden bei Übergewicht
- Erhöhte Erschöpfbarkeit und schnelleres Schwitzen
- Kurzatmigkeit bei Belastung
- Gelenkbeschwerden, besonders in Knien, Hüften oder Rücken
- Schlafprobleme oder Schlafapnoe (Atemaussetzer)
- Verdauungsstörungen, Völlegefühl, Sodbrennen
- Zyklusstörungen oder unerfüllter Kinderwunsch bei Frauen
- Stimmungsschwankungen, Selbstwertprobleme oder sozialer Rückzug
Nicht alle Menschen mit Übergewicht haben Beschwerden, doch das Risiko besteht, dass sich im Verlauf Beschwerden entwickeln. Besonders bei Kindern und Jugendlichen ist es wichtig, Übergewicht frühzeitig ernst zu nehmen – nicht aus ästhetischen Gründen, sondern um eine gesunde Entwicklung zu unterstützen und spätere Folgeerkrankungen zu vermeiden.
Verlauf: So entwickelt sich Übergewicht
Übergewicht entwickelt sich meist langsam über Monate oder Jahre. Anfangs verursacht es oft keine Beschwerden – doch auf lange Sicht kann es den Körper belasten, vor allem Herz, Stoffwechsel, Gelenke und Hormonhaushalt. Je früher gegengesteuert wird, desto besser lassen sich Spätfolgen vermeiden.
Mögliche Folgeerkrankungen:
Schon eine moderate Gewichtsreduktion von fünf bis zehn Prozent kann viele dieser Risiken spürbar senken – auch wenn das Normalgewicht nicht sofort erreicht wird.
Ursachen
Wissenschaftliche Erkenntnisse der letzten Jahre haben das Verständnis, wie Adipositas entsteht, grundlegend verändert. Adipositas wird heute ähnlich wie Diabetes Typ 2 oder Bluthochdruck als chronische Erkrankung klassifiziert. Sie zeigt die Tendenz zu wiederholten Rückfällen (Rezidiven) und unbehandelt verschlechtert sie sich in der Regel im Zeitverlauf.
Es handelt sich um eine vielschichtige Wechselwirkung aus genetischen, hormonellen, psychischen und umweltbedingten Faktoren.
Häufige Ursachen und Einflussfaktoren:
- Ungleichgewicht zwischen Kalorienzufuhr und -verbrauch
- Bewegungsmangel im Alltag oder durch sitzende Berufe
- Energie- und nährstoffdichte Ernährung zum Beispiel durch stark verarbeitete Produkte
- Genetische Veranlagung, Stoffwechsel, Hungergefühl und Fettspeicherung sind bei jedem Menschen anders
- Hormonelle Einflüsse, zum Beispiel durch Schilddrüsenunterfunktion, Insulinresistenz, hormonelle Veränderungen in Schwangerschaft oder Wechseljahren
- Medikamente, wie Kortison, Antidepressiva, Neuroleptika
- Chronischer Stress oder Schlafmangel
- Essstörungen oder emotionales Essen
- Psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Traumafolgestörungen
Auch das soziale Umfeld, Ernährungsgewohnheiten in der Kindheit, Werbung und digitale Lebensweise spielen eine Rolle. Besonders tückisch: Der Körper reagiert auf langanhaltendes Übergewicht oft mit einer Art „Gewichtsgedächtnis“ – und verteidigt das höhere Gewicht hormonell, was das Abnehmen erschwert.
Diagnose
Die Diagnose von Übergewicht erfolgt nicht allein durch einen Blick auf die Waage. Wichtig ist eine ganzheitliche Betrachtung, die sowohl das Körpergewicht als auch den Gesundheitszustand berücksichtigt.
Diagnose-Schritte:
- BMI-Berechnung: Der Body-Mass-Index (BMI) ergibt sich aus Körpergewicht in Kilogramm geteilt durch die Körpergröße in Metern zum Quadrat. Einordung: 25-29,9 = Übergewicht, 30-34,9 = Adipositas Grad I, 35-39,9 = Adipositas Grad II, über 40 = Adipositas Grad III
- Taillenumfang und Taille-zu-Körpergröße-Verhältnis: Bauchfett gilt als besonders gesundheitsschädlich. Ein Taillenumfang über 88 cm (Frauen) bzw. 102 cm (Männer) gilt als kritisch, das Waist-to-Height-Ratio: sollte unter 0,5 liegen
- Körperzusammensetzung: Moderne Methoden wie Bioimpedanzanalyse (BIA) geben Hinweise auf Fett-, Muskel- und Wasseranteile
- Blutuntersuchung: Kontrolle von Blutzucker, Cholesterin, Leberwerten und ggf. Hormonstatus (zum Beispiel Schilddrüse, Insulin) zur Einschätzung von Stoffwechselrisiken.
Nicht das Gewicht allein entscheidet über die Gesundheit – sondern ob Folgeerkrankungen vorliegen oder ein erhöhtes Risiko besteht.
Behandlung von Übergewicht
Es gibt nicht den einen Weg, mit Übergewicht umzugehen. Wichtig ist die Therapie in das Leben der Betroffenen zu integrieren und nach einer nachhaltigen und dauerhaften Lösung zu suchen. Daher empfiehlt sich eine Therapie, die auf mehreren Säulen basiert.
Wichtige Säulen einer dauerhaften Gewichtsreduktion:
- Ernährungsumstellung statt Diät: Ziel ist keine kurzfristige Gewichtsabnahme, sondern eine Ernährung, die ausgewogen und alltagstauglich ist. Empfehlenswert ist eine Begleitung durch qualifizierte Ernährungsberater.
- Gelenkschonende Bewegung: Spaziergänge, Schwimmen, Tanzen, Aquagymnastik oder Bewegung in der Natur können sehr effektiv sein.
- Psychologische Unterstützung: Stress, Frustessen, alte Muster – viele Menschen tragen emotionale Lasten, die sich im Essverhalten spiegeln. Verhaltenstherapie, Gruppenangebote oder Onlineprogramme können helfen, neue Wege zu finden.
- Medikamentöse Unterstützung: Bei schwerem Übergewicht und bestehenden Begleiterkrankungen können Medikamente wie GLP-1-Analoga (z. B. Semaglutid) ärztlich verordnet werden. Sie beeinflussen das Sättigungsgefühl – sind aber kein Wundermittel und müssen begleitet eingesetzt werden.
- Bariatrische Operationen: Bei stark ausgeprägter Adipositas (meist BMI über 40) oder wenn andere Maßnahmen nicht helfen, kann ein operativer Eingriff wie ein Magenbypass oder Schlauchmagen in Betracht kommen – nach sorgfältiger Beratung und Vorbereitung.
- Unterstützung in der Gruppe: Selbsthilfegruppen, Online-Communities, Gruppenprogramme oder Adipositaszentren können unterstützen und motivieren besonders bei sozialer Ausgrenzung.
Radikale Kuren können schnell gefährlich werden und verstärken im schlechtesten Fall den Jojo-Effekt. Langfristige, nachhaltige Maßnahmen sind in jedem Fall besser.
Was die Apotheke rät
- Beratung zu Abnehmprodukten: Viele Mittel aus Werbung und Internet halten nicht, was sie versprechen. Die Apotheke kann erklären, welche Produkte wirklich unterstützen können – und welche nur das Portemonnaie erleichtern.
- Mikronährstoffe im Blick: Wer abnimmt oder sich verändert ernährt, sollte an Vitamine, Mineralstoffe und Eiweiß denken – gerade bei Appetitmangel, einseitiger Ernährung oder nach Operationen.
- Begleitung bei Medikamententherapie: Ob GLP-1-Analoga, Schilddrüsenmedikamente oder andere Präparate – die Apotheke hilft bei richtiger Anwendung, Verträglichkeit und Kombinationsfragen.
- Viele Apotheken arbeiten mit Ernährungsberatern, Selbsthilfegruppen oder Rehasport-Anbietern zusammen – ein guter Startpunkt, um passende Unterstützung zu finden.
- Gesundheits-Checks in der Apotheke: Viele Apotheken messen Blutdruck, Blutzucker oder Cholesterin – diskret und ohne Termin. Ideal, um frühzeitig Risiken zu erkennen.
Kurz zusammengefasst
- Übergewicht entsteht durch viele Faktoren – nicht nur Ernährung, sondern auch Gene, Hormone, Stress und Lebensumstände.
- Entscheidend ist nicht nur das Gewicht, sondern wie es sich auf Gesundheit und Wohlbefinden auswirkt.
- Folgeerkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes oder Gelenkbeschwerden können entstehen.
- Eine nachhaltige Behandlung setzt auf Bewegung, Ernährung, psychologische Begleitung und ggf. Medikamente oder OPs.
- Gruppenprogramme können Motivation und Beistand leisten.