Apotheker Rüdiger Freund
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21.05.2025 09:59 Uhr
Burnout ist mehr als nur Stress oder vorübergehende Erschöpfung – es handelt sich um einen komplexen Zustand körperlicher, emotionaler und geistiger Erschöpfung, der sich über einen längeren Zeitraum entwickelt. Besonders betroffen sind Menschen, die hohen Anforderungen ausgesetzt sind und über lange Zeit ihre eigenen Bedürfnisse vernachlässigen.
Typisch für Burnout ist eine schleichende Entwicklung, die oft mit anhaltendem Stress, Überforderung und dem Gefühl der Fremdbestimmung beginnt. Betroffene fühlen sich zunehmend erschöpft, antriebslos und emotional distanziert. Bleibt Burnout unbehandelt, kann er zu schweren psychischen und körperlichen Erkrankungen führen.
Die Ursachen sind vielfältig und reichen von hohem Arbeitsdruck, Perfektionismus und mangelnder Erholung bis hin zu fehlender Anerkennung und sozialen Belastungen. Früherkennung und Gegenmaßnahmen sind entscheidend, um langfristige Folgen zu vermeiden. Obwohl Burnout keine eigenständige medizinische Diagnose darstellt, wird es als arbeitsbezogenes Phänomen anerkannt.
Symptome von Burnout
Die Symptome des Burnout-Syndroms können zu Beginn sehr unspezifisch sein und werden oft übersehen. Sie entwickeln sich schleichend und können individuell variieren.
Typische Anzeichen für ein Burnout-Syndrom
- Emotionale Erschöpfung: Ständige Müdigkeit, das Gefühl innerer Leere, Antriebslosigkeit.
- Mentale Überforderung: Konzentrationsprobleme, Vergesslichkeit, Entscheidungsunfähigkeit.
- Zynismus und emotionale Distanz: Gleichgültigkeit, Gereiztheit, Verlust von Empathie und Motivation.
- Körperliche Beschwerden: Kopfschmerzen, Magen-Darm-Probleme, Verspannungen, Schlafstörungen.
- Leistungsabfall: Selbst einfache Aufgaben erscheinen überfordernd, Fehler häufen sich.
- Sozialer Rückzug: Weniger Kontakt zu Familie und Freunden, zunehmende Isolation.
Verlauf
Wird das Burnout-Syndrom nicht erkannt und behandelt, können die Folgen gravierend sein: von anhaltender Erschöpfung bis hin zu schweren psychischen und körperlichen Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen und Herz-Kreislauf-Problemen.
Das von Herbert Freudenberger und Gail North entwickelte Zwölf-Phasen-Modell beschreibt die schrittweise Entwicklung eines Burnouts und kann als wertvolle Orientierungshilfe und zur Erkennung von Warnsignalen dienen.
Die zwölf Phasen nach Freudenberger & North:
- Zwang, sich zu beweisen – Übermäßiger Ehrgeiz und Perfektionismus
- Verstärkter Einsatz – Noch mehr Arbeit, Pausen werden ignoriert
- Vernachlässigung eigener Bedürfnisse – Schlaf, Ernährung und soziale Kontakte werden vernachlässigt
- Verdrängung von Problemen – Stress und Überforderung werden geleugnet
- Werteumkehr – Hobbys und soziale Kontakte erscheinen unwichtig
- Verleugnung der eigenen Situation – Gereiztheit, Zynismus und Schuldzuweisungen an andere
- Rückzug – Isolation, sozialer und emotionaler Rückzug
- Verhaltensänderung – Unruhe, Aggressivität, Ängste oder depressive Verstimmungen
- Depersonalisation – Entfremdung von sich selbst, Gefühle von Sinnlosigkeit
- Innere Leere – Tiefe Erschöpfung, das Gefühl, „ausgebrannt“ zu sein
- Depression – Hoffnungslosigkeit, völlige emotionale und körperliche Erschöpfung
- Völliger Zusammenbruch – Arbeitsunfähigkeit, psychosomatische Erkrankungen, ggf. Klinikaufenthalt
Ursachen von Burnout
Das Burnout-Syndrom entsteht durch ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Faktoren, die sowohl aus dem beruflichen als auch aus dem persönlichen Umfeld stammen. Ein tieferes Verständnis dieser Ursachen ist entscheidend, um präventive Maßnahmen zu entwickeln und Betroffene effektiv zu unterstützen.
Äußere Faktoren – Belastungen im Umfeld:
- Hoher Arbeitsdruck, lange Arbeitszeiten, ständige Überforderung
- Ständige Erreichbarkeit, fehlende Erholung, keine Trennung zwischen Arbeit und Privatleben
- Mangelnde Anerkennung, soziale Isolation, fehlendes Feedback, fehlende Unterstützung verstärken das Gefühl der Wertlosigkeit
- Emotionale Belastung – besonders in helfenden Berufen (Pflege, soziale Arbeit) ist das Risiko erhöht
Individuelle Risikofaktoren – Persönliche Merkmale:
- Perfektionismus und überhöhte Ansprüche an sich selbst
- Schwierigkeit, „Nein“ zu sagen, ausgeprägtes Pflichtgefühl führt dazu, dass Menschen sich „übernehmen“
- Geringe Stressbewältigungsstrategien und fehlende Techniken zur Entspannung oder Problembewältigung
- Hohes Verantwortungsbewusstsein – besonders gefährdet sind Menschen, die sich stark für andere engagieren.
Diagnose
Da Burnout keine eigenständige medizinische Diagnose ist, erfolgt die Abklärung meist durch ärztliche und psychotherapeutische Fachkräfte anhand von Symptomen, Lebenssituation und psychischen Belastungen.
Ärztliche/psychologische Anamnese:
- Gespräch über Beschwerden wie Erschöpfung, Leistungsabfall, emotionale Distanz
- Fragen zur Arbeitsbelastung und privaten Stressoren – Gibt es anhaltenden Stress, Überforderung oder soziale Konflikte?
- Ausschluss anderer Erkrankungen, wie Depressionen, Angststörungen oder körperlicher Ursachen (z. B. Schilddrüsenerkrankungen)
Standardisierte Fragebögen und Tests:
- Maslach Burnout Inventory (MBI) ist eines der bekanntesten Verfahren zur Erfassung von Burnout-Symptomen.
- Shirom-Melamed Burnout Measure (SMBM) bewertet emotionale, körperliche und kognitive Erschöpfung.
Körperliche Untersuchungen:
- Bluttests zum Ausschluss von Mangelzuständen oder hormonellen Ursachen.
- Kardiologische oder neurologische Untersuchungen falls stressbedingte körperliche Beschwerden auftreten.
Burnout kann schwer von einer Depression abgegrenzt werden. Während Burnout vor allem durch chronische Überlastung entsteht, ist eine Depression oft unabhängig von äußeren Faktoren und geht mit tiefgreifender Hoffnungslosigkeit einher. Eine genaue Abklärung durch Fachkräfte ist essenziell.
Therapie: So lässt sich Burnout behandeln
Da Burnout bislang nicht als eigenständiges Krankheitsbild anerkannt ist, gibt es keine allgemeingültige Therapieempfehlung oder Behandlungsleitlinien. Wichtig ist, dass Betroffene sich eingestehen, dass Handlungsbedarf besteht und Maßnahmen zu ergreifen, um Stress langfristig zu reduzieren. Die Behandlung eines Burnouts hängt von der Schwere der Erschöpfung ab und kombiniert meist verschiedene Ansätze.
Akutmaßnahmen:
- Reduktion von Stressoren: Überlastung abbauen, berufliche und private Belastungen anpassen.
- Ausreichende Erholung und Schlafhygiene: Feste Ruhezeiten helfen, Körper und Geist zu regenerieren.
- Pausen und Achtsamkeit: Kleine Auszeiten im Alltag einplanen, bewusste Entspannung fördern.
Psychotherapeutische Behandlung:
- Gesprächstherapie oder kognitive Verhaltenstherapie (KVT) helfen, Stressbewältigungsstrategien zu entwickeln.
- Achtsamkeits- und Entspannungstechniken wie Meditation, Yoga oder Atemübungen fördern innere Ruhe.
- Grenzen setzen und lernen, „Nein“ zu sagen und eigene Bedürfnisse ernst zu nehmen.
Alternative Behandlungsmethoden:
- Naturheilkundliche, pflanzliche Präparate wie Baldrian, Johanniskraut oder Lavendel können beruhigend wirken.
- Bewegung und Sport baut Stresshormone ab.
- Soziale Unterstützung durch Austausch mit Freunden, Familie oder Selbsthilfegruppen hilft, emotionale Belastungen zu teilen.
Langfristige Maßnahmen und Prophylaxe:
- Arbeitsstrukturen anpassen, realistische Ziele setzen, Arbeitszeiten überdenken.
- Work-Life-Balance fördern und Hobbys und Freizeitaktivitäten bewusst in den Alltag integrieren.
- Resilienz stärken und Stressbewältigungsstrategien entwickeln, um zukünftige Belastungen besser zu meistern.
In schweren Fällen kann eine stationäre Therapie oder eine längere berufliche Auszeit notwendig sein. Frühzeitige Intervention verbessert die Heilungschancen erheblich.
Was die Apotheke rät
- Sprechen Sie mit Ihrem Apotheker oder Ihrer Apothekerin über geeignete Maßnahmen zur Stressbewältigung und verfügbare Entspannungstechniken.
- Keine eigenständige Einnahme von Beruhigungs- oder Schlafmitteln ohne ärztliche Rücksprache.
- Nutzen Sie Angebote zur Gesundheitsförderung, wie Kurse zur Stressbewältigung oder Entspannungstechniken.
- Nach ärztlicher Rücksprache kommen beruhigende, entspannende Präparate wie Johanniskraut, Baldrian, Hopfen, Passionsblume oder Lavendelöl in Betracht.
- Auch schlaf- und erholungsfördernde Mittel wie Melatonin können nach ärztlicher Freigabe unterstützend wirken.
Burnout kurz zusammengefasst
- Burnout ist ein Zustand tiefer Erschöpfung, oft bedingt durch beruflichen Stress.
- Symptome umfassen emotionale Erschöpfung, Depersonalisierung und reduzierte Leistungsfähigkeit.
- Ursachen liegen in arbeitsbezogenen, persönlichen und sozialen Faktoren.
- Die Behandlung kombiniert Psychotherapie, Stressbewältigung und gegebenenfalls medikamentöse Ansätze.
- Präventive Maßnahmen und frühzeitige Intervention sind entscheidend für die Genesung.
Zuletzt aktualisiert: 21.05.2025
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